Ein Samstag in der Sperrzone

Kurz vor Elf. Laut Zeitplan sollen sie gleich losmarschieren. Die anderen sind es schon. In der Überzahl: 200 gegen 4000. Rechte gegen Linke. Mitten drin ein Drei-Länder-Aufgebot an Polizei. Einsatzpolizisten aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind nach Bremen gekommen, um Faschisten und Antifaschisten auseinanderzuhalten.
Ich gehe aus der Haustür, schaue nach rechts und blicke auf dickgepolsterte Uniformen mit menschlichen Gesichtern darin. Einsatzwagen parken in Reih und Glied, Straßensperren hindern meine Nachbarn und mich, auf die Hauptstraße zu kommen. Ich komme mir in diesem Moment unfrei vor. Ich werde eingesperrt, weil radikale Gruppen demonstrieren. Naja, sei es drum. Ich setze mich in die Sonne und beobachte das Treiben. Eigentlich passiert gar nichts. Hin und wieder sprechen Beamte mit dem Knopf in ihrem Ohr oder stacksen mit ihren gepanzerten Schuhen von einer Straßenecke zur nächsten. 1,2 Millionen kostet dieser Einsatz. Diese Zahl gewinnt an Absurdität, als ich mitbekomme, dass die Nazis noch gar nicht losgelaufen sind, weil sie noch nicht mal 100 Personen sind.
Gegen halb Eins ziehen sie an meiner Straßenecke vorbei. Die Handvoll Anti-Demonstranten brüllen Ihnen „Nazis raus!“ entgegen, nach vier Minuten ist alles vorbei. Bei mir passierte, was immer passiert, wenn jemand anfängt zu brüllen: Ich möchte am liebsten weinen. Diese Aggressivität macht mir Angst.
Sie ziehen weiter auf ihrer kleinen Marschroute, an anderen Straßenecken wiederholt sich die Szene. Es gibt zwei Knotenpunkte, wo tatsächlich etwas mehr Menschenmasse zu sehen und zu parieren war. Aber es bleibt alles friedlich. Große Welle, kleine Show. Wie schön wäre es, wenn man die Nazi-Demos einfach mit Ignoranz strafen würde. Seitens der Antifaschisten, seitens der Polizei, seitens der Bürger, seitens der Presse. Und wieviel preiswerter…

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

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