Logbuch unserer Kita-Eingewöhnung. Oder auch: Wut tut gut.

Im „Logbuch unserer Kita-Eingewöhnung“ erzähle ich ein bisschen davon, wie es dem Lütten (18 Monate beim Schreiben dieser Beiträge), aber vor allem mir beim Kita-Start ergeht. Auch wenn jede Eingewöhnung so individuell ist wie das jeweilige Kind, tut der Erfahrungsaustausch auf diesem Wege anderen Eltern vielleicht gut. Heute geht´s um die ersten Trennungen und einen befreienden Wutanfall. Den hatte nicht der Lütte, sondern ich.

Tag 9: Kita-Office mit Salzstangen

Ich arbeitete schon im Home-Office, im Garten-Office und im DB-Office. Mit Laptop in der Kita saß ich bis heute noch nicht, nachvollziehbarerweise. Da ich optimistisch auf die erste innerhäusliche Trennung vom Lütten und mir schaute, hatte ich mein mobiles Apfelarbeitsgerät eingesteckt. Meine Zuversicht wurde nicht enttäuscht: Als ich dem Lütten zu Beginn des Kita-Frühstücks sage, dass ich jetzt rausgehen und später wiederkommen würde, interessiert ihn das deutlich weniger als die Blaubeeren in seinem Müsli.

So sitze ich jetzt also mit den Fingern an der Tastatur und  Blick auf den Monitor an meinem Laptop und beantworte Mails. Was super sein könnte, würde sich das zwischen einer Kita-Mitarbeiterin, die eigens für die Eingewöhnung als Betreuuerin für die Eltern zum Fragen beantworten und Kaffeekochen abgestellt wurde, und einer anderen Mutter nicht wahnsinnig merkwürdig anfühlen. Weil die beiden nicht miteinander sprechen und ich somit die einzige Person in dem kleinen Raum an dem kleinen Tisch mit trockenen Salzstangen und Filterkaffee bin, die Geräusche produziert. Tippende.

Okay, diese peinliche Stille unterbrochen durch mein Getippe ist echt strange. Ich klappe den Rechner zu und beginne ein Gespräch. Über Lerngärten und Tierfarmen. So viel zum Thema „Juhuu, endlich ist der Lütte mal allein in der Kita, da hab ich Zeit für meine Dinge.“

Als mir die Gesprächsthemen ausgehen, suche ich das Weite. Heißt: Ich gehe in den Garderobenbereich des Gruppenraumes, weil die Kinder inzwischen draußen spielen. Ich linse durch die Fenster und sehe den Lütten draußen auf dem Arm seiner Bezugserzieherin. Ich setze mich auf einen Stuhl und beobachte weiterhin das Geschehen draußen. Meine Füße sind wieder einmal kalt. Als ich höre, dass sich die Gruppe nun langsam zusammenfinden solle, um reinzugehen, laufe ich zurück in den Warteraum. Schnappe mir eine Ausgabe der ELTERN, um nicht reden zu müssen, und warte.

11 Uhr, das erste Mal überhaupt höre ich den Lütten laut weinen. Hingefallen? Spielzeug weggenommen worden? Nein, die Auflösung ist eine andere: Er ist von draußen zurück in den Gruppenraum gekommen und zum ersten Mal saß seine Mama in dieser Situation NICHT auf dem Stuhl an der Wand. Das hat ihn dann doch stark verunsichert. Seine Bezugserzieherin meint, dass es für heute reicht, er hätte die erste Trennung bis hierhin gut gemeistert und sobald das Kind Mama nach einer Trennung wieder sieht, soll es besser auch nach Haus mitgenommen werden. Ich finde das total in Ordnung. Er hat es wirklich gut gemacht, der kleine Mann. Die erste Trennung, zwei Stunden ohne Tränen. Hach, ich bin stolz auf mein Söhnchen.

Für uns ist die Kita-Woche bereits jetzt, am Donnertag, rum. Morgen muss der Lütte vormittags zum Arzt. Drei kitafreie Tage warten also auf uns und ich bin gespannt, wie der kommende Montag so wird.

Tag 10: Ahhhgrrrrhhhmmpfh!

Ich. Bin. Wütend. Während ich von der Kita nach Hause laufe – im Stechschritt, um keine der wertvollen freien 90 Minuten zu verlieren – fluche ich vor mich hin. Es dauert mir einfach alles zu lange mit dieser Eingewöhnung. Es kann doch einfach nicht wahr sein, dass ich auch an Tag 10 mit einem an mir hängenden Kind bis zum Frühstück um 9:15 Uhr zwischen U3-Kindern sitze. Dass dieses Kind mal wieder auf keine Spielangebot des Teams reagiert. Dass es sich nicht zu den anderen in den Morgenkreis setzen, sondern mal wieder in einer anderen Ecke des Raumes Schranktüren auf- und zumachen will. Ahhhgrrrrhhhmmpfh!

In meinen Hinterkopf tickt die Uhr. Laut. Meine berufliche ToDo-Liste ist so langsam erschreckend lang, ich muss einfach mal wieder in Ruhe drei, vier Stunden am Stück arbeiten können.  90 Minuten, pfff. Abzüglich der Wegezeit habe ich noch 80, abzüglich der zwei Maschinenladungen Wäsche, die abgenommen und gefaltet bzw. aufgehängt werden müsse, noch rund 50. Das ist doch alles sch***. War ich gerade noch wütend auf den Lütten (ohne den Wutanfall natürlich wohlwissend, dass er meine Wut am allerwenigsten verdient, sondern seine Sache langsam aber dennoch gut macht), bin ich jetzt wütend auf die Umstände. Auf die klassische Rollenverteilung. Auf „Du hast doch total Glück. Du bist ja selbständig und damit flexibel“ aus so vielen Mündern. Ach ja? Und mein monatliches Gehalt zahlt mir ein glitzerstaubpupsendes Einhorn aufs Konto? Flexibilität kann auch ein Fluch sein, glaubt mir.

Wut tut gut. Immer. Sie reinigt und bringt einen ins Handeln. Und so sinniere ich, während ich die Wäsche abhänge, nicht darüber nach, was der Lütte wohl gerade in der Kita macht, sondern, was ich brauche, um zurück zur Gelassenheit zu finden. Ich brauche die restlichen Augusttage Bürozeit zwischen 9 Uhr und 12 Uhr. Oder anders formuliert: Der Lütte muss vom Morgenkreis bis nach dem Mittagessen in der Kita durchhalten. Das muss das Ziel der Woche sein!

Mit dieser Vision stiefle ich einen Kräutertee, zwei Überweisungen und eine Bahnticketbuchung später zurück in die Kita. Ich luschere über den Zaun, ob ich den Lütten unter den anderen spielenden Kindern entdecken kann. Nö. Keiner der Gruppe ist draußen. Ich gehe hinein in die Kita, setze mich in den Warteraum. Mal schauen, wann sie den Lütten zu mir bringen. Irgendwann höre ich die Erzieherin mit ihm sprechen, die beiden gehen gerade über den Flur zum Wickelraum. Kein Knötern, kein Weinen. Alles gut.

Mit frischer Windel und einem breiten Lächeln im Gesicht (War ich vorhin wütend auf dieses zauberhafte Kind? Ich? Kann nicht sein!) kommt er ein paar Minuten später um die Ecke. Alles sei gut gewesen, höre ich. Einmal sei er hingefallen, habe sich aber gut trösten lassen. Ab und zu hätte er nach mir Ausschau gehalten, aber sich dann wieder ablenken lassen. Gut!

Ich gehe mit ihm in den Gruppenraum, um seine Schuhe und Jacke zu holen. Dort wird gerade der Tisch für das Mittagessen gedeckt. Der Lütte schnappt sich seinen Rucksack und will ihn zu seinem Platz am Tisch bringen. Wie beim Frühstück. „Heute isst Du nicht hier“, sage ich ihm. „Wenn Du magst, vielleicht morgen.“ Er nölt, möchte sich auch lieber an den Tisch setzen. Mal schauen, ob wir ihm diesen Wunsch morgen nicht direkt mal erfüllen können.

Tag 11: Happy Sandy!

10:58 Uhr – ich sitze quietschzufrieden an unserem Esstisch und arbeite. Zweieinhalb freie Stunden habe ich heute Vormittag. Das sind 150 Minuten. Absoluter Mama-Luxus. Ich habe bereits eine Stunde gearbeitet, gleich widme ich mich noch dem Haushalt und vereinbare einen längst überfälligen Arzttermin. 150 Minuten Freiheit. 150 Minuten, in denen ich nicht unterbrochen werde, nicht leise sein oder sonst auf irgendetwas Rücksicht nehmen muss. Die Tür zum Keller steht  offen, während ich den Staubsauger hole? Egal, fällt niemand hinter mir die Treppe runter. Das Telefonat dauert länger als gedacht? Egal, niemand fängt im Hintergrund an zu quengeln, weil Lego bauen plötzlich keinen Spaß mehr macht. HERRLICH!

Gestern habe ich viel darüber nachgedacht, wie es weitergehen kann. Wo wir in der Kita mamafreie Zeit verlängern, wie wir dem Lütten gerecht werden, aber auch meine Bedürfnisse beachten können. Ich habe mich ausgetauscht und dabei noch neue Impulse bekommen. Auf jeden Fall ging ich mit einer festen Überzeugung ins Bett: Wir können dem Lütten mehr „zumuten“.

Warum? Weil er sich grundsätzlich wohlfühlt. Ich kenne mein Kind gut genug um zu erkennen, dass er nicht unter der neuen Situation leidet. Er geht gern hin, sträubt sich nie, mit seinem Rucksack in der Hand in den Gruppenraum zu gehen und vor allem hat er den restlichen Tag über stets megagute Laune. Die Nächte sind fast immer so ruhig wie vor der Kita, lediglich das Einschlafen dauert länger und muss intensiver begleitet werden. Und ich weiß, dass der Lütte ein Freund klarer Strukturen ist. Sind Kinder ohnehin, aber er braucht das besonders.

Ich freute mich daher, unsere Bezugserzieherin heute Morgen zu sehen und mit ihr nach unserer Ankunft über meine Gedanken sprechen zu können. „Ich würde gern das Ziel verfolgen, dass der Lütte noch zum Mittagessen bei Euch ist. Wenn es zudem gelingt, dass ich morgens noch vor dem Morgenkreis gehen kann, wäre das pefekt.“ Außerdem rege ich an, dem Lütten immer zu Beginn seiners Kita-Tages die gleiche Spielsituation anzubieten – weil er eben so ein Strukturmensch ist (danke für den Tipp, Katarina!). Am besten etwas mit Lego bauen, dabei fokussiert er sich auch zuhause gern und erfolgreich, wenn er mal unruhig wird.  Wir einigen uns darauf, dass ich heute noch bis zum Frühstück bleibe, dann aber tatsächlich erst nach dem Mittag gegen 12 Uhr wiederkomme.

Der Lütte hat in der Zwischenzeit deutlich freier gespielt als am Tag zuvor und wirkt recht vergnügt. Als es in den Morgenkreis gehen soll, ist er aber anderer Meinung: Er will Frühstücken. Er ist nicht davon zu überzeugen, seinen Rucksack nochmal an die Garderobe zu hängen, sondern legt sich bockig und bäuchlings auf den Boden. Händewaschen? Nein, danke, auch das nicht. Fünf Minuten später die Erlösung: Alle anderen holen auch ihre Rucksäcke und das Frühstück ist eröffnet. Ich verabschiede mich, was wieder nicht besonders auffällt. Der Appetit ist größer als die Aufmerksamkeit für Mama.

Kurz vor 12. Ich kehre begeistert über den Zauber, den zweieinhalb Stunde freie Arbeitszeit auslösen können, in die Kita zurück. Der Lütte sitzt genau dort, wo er bei meinem Abschied saß. Das Mittagessen ist abgeräumt, gerade mümmeln alle Melone zum Nachtisch. Der Lütte sieht zufrieden aus. Schaut konzentriert von einem zum anderen, am aufmerksamsten beobachtet er seine Bezugserzieherin, die noch ein paar Melonenstücke schneidet. Mich hat er nicht bemerkt. Ich sitze auf einem Stuhl am Eingang und beobachte ihn lächelnd. Toll macht er das.

Als es zum Händewaschen geht, sieht er mich dann doch. Und freut sich wie ein Honigkuchenpferd. Ich höre zudem, dass es in der Zwischenzeit gut geklappt hat. Toll! Ich nehme mein sattes und etwas müdes Kind, wir spazieren nach Hause und sind beide frohen Mutes. Ich übrigens auch, weil mir im Verlauf des Vormittags eine Erkenntnis wie Schuppen von den Augen fiel: künftig muss ich ja gar kein Mittagessen mehr kochen  – whoop whoop!

Liebe Eltern, die Ihr gerade auch die Eingewöhnung absolviert, wie geht es bei Euch den zwischenzeitlich? Das würde mich echt sehr interessieren. Falls Ihr ein noch sehr kleines Kind im Babyalter eingewöhnt, könnt Ihr übrigens auch mal bei familieberlin vorbeischauen. Bella erzählt in diesem Beitrag von ihrer ersten Woche der Eingewöhnung.

Die bisherigen Beiträge meines Eingewöhnungs-Logbuchs verpasst? Hier findest Du sie!

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

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