Ein ganz normaler Herbstnachmittag. Oder auch: Waaaaas? 17 Uhr erst?

 

Hach, heeeeerrlich! Seit ich wieder täglich halbtags im Büro arbeite und meine Mails sowie ToDos nicht mehr verzweifelt in wenige Lücken stopfen muss, kann ich am Nachmittag endlich ganz und mit voller Aufmerksamkeit für mein Kind da sein. Mich intensiv und achtsam mit ihm beschäftigen. Gerade an öddeligen Herbsttagen wie heute, an denen es draußen stürmt und regnet, können wir es uns zu zweit drinnen so richtig gemütlich machen, mit einem leckeren Obstteller und warmen Tee auf einer kuscheligen Decke ausgiebig mit Lego bauen, danach sprachfördernd diverse Bilderbücher anschauen, während im Hintergrund leise Rolf Zuckowski läuft.  Muckelig ist das, dieses Cocooning mit Kleinkind.

Muuuaaahhhaaaahaaaa! Ja, von wegen.

Die Phantasie von einem gemütlichen Nachmittag, bei dem draußen die bunten Blätter vor dem Fenster tanzen und drinnen der Eineinhalbjährige konzentriert sein sechsteiliges Tier-Puzzle zusammensteckt, während ich ihm liebevoll den Kopf tätschle und selig-stolz vor mich hinlächle – die Eltern unter Euch kennen diese Phantasie wohl alle. Und wissen allzu gut: in acht von zehn Fällen kommt es anders und am Ende des Nachmittag fühlt man sich, als hätte man mit einem Tiger gekämpft. Einem zahnlosen Tiger zwar, der dafür aber umso wendiger und flinker ist als man selbst.

Heute war mal wieder so ein Nachmittag. Dabei waren meine Absichten mal wieder allererster Güte: Früh Feierabend machen, zuhause alles für einen „Sich als Nackedei von oben bis unten mit Fingermalfarben vollsauen“-Nachmittag vorbereiten, den Lütten fröhlich aus der Kita abholen, eine Runde mit ihm spielen, dann sinnesschärfend die Mal-Session absolvieren, das bunte Kind dann in die Badewanne stecken und sich am Ende darüber freuen, was man doch für einen super Tag gemeinsam hatte.

Nun ja, spoilern wir mal so: Bis zur Rückkehr des Kindes aus der Kita klappte alles wie gewünscht. Ich hatte im Bad schon  alles für den späteren Körperputz gerichtet, eine riesige Abfalltüte aufgeschnitten, um sie als Unterlage zum Malen im Kinderzimmer auslegen zu können, eine Küchenrolle sowie zwei alte Handtücher dazugelegt und  die Fingermalfarben aus dem Keller. gekramt Die Wohnräume waren aufgeräumt als ich mich auf den Weg in die Kita machte und meine Laune prächtig. Alle Voraussetzungen für einen Bilderbuch-Mama-Kind-Nachmittag, sie waren gegeben. Zumal der Lütte ebenfalls gutgelaunt und ausgeschlafen war, als ich ihn in Empfang nahm. Ich jubilierte innerlich bereits: „Nimm das, Du Herbsttag! Wir machen es uns heute so richtig schön. So schön, dass jede RAMA-Werbefamilie neidisch auf uns wäre. Jawoll.“

Wie ein gemütlicher Herbstnachmittag mit Kind wirklich ist

Um es so richtig gemütlich zu haben, mache ich mir zuhause erst einmal einen Milchkaffee. Das Kind sitzt derweil mit Bilderbuch auf dem Küchenboden. Na, wenn das nicht schon mal gemütlich ist, freue ich mich.

15:12 Uhr. Mit dem fertigen Kaffee setze ich mich auf die Couch im Wohnzimmer, stelle die große Box mit Legosteinen neben mich und rufe den Lütten. Der kommt, kraxelt aufs Sofa – und kippt die Legobox erst einmal aus. Naja, was soll´s, denke ich, das passiert öfter mal und dann wird inmitten der Steine weitergespielt. Ich stecke die ersten Steine zusammen. Der Lütte nicht. Er reißt mir meine aus der Hand, pfeffert sie auf den Boden – und grinst mich dann herausfordernd an. Puh, dieses Spiel also mal wieder. Ich atme ein. Seit einigen Tagen fliegen bei uns  diverse Dinge durch die Zimmer oder die Treppe runter. Ich vermute, in der Kita ist in jüngster Vergangenheit auch mal so einiges zwischen den Kindern umhergeflogen, was nachhaltig beeindruckt hat.

Irgendwann hat der Lütte genug vom Legosteine schmeißen und läuft in den Flur. Zurück kommt er mit den Hausschuhen des Mannes. „Papa, Papa. Papa.“ Sein Lieblingswort aktuell. Er schmeißt mir die Hausschuhe vor die Füße und klettert wieder auf die Couch. Von der dahinterliegenden Fensterbank zieht er zwei Familienfotos. „Papa.Papa. Papa.“ Er zeigt mit seinem Finger auf den Mann. Danach auf die beiden Bonusbrüder. „Papa. Papa. Papa.“ Tja, nun.

„Möchtest Du Apfelsaft?“ Es ist eine rhetorische Frage. Auch Apfelsaft ist seit Kita-Start extrem angesagt. Vorher gab es nämlich nur Wasser und ab uns zu mal Milch (call me spaßbefreite zuckervermeidende Langweilermutter). Inzwischen steht immer mal wieder ein halber Liter Bio-Apfelsaft im Kühlschrank, denn der Lütte nach und nach mit Wasser gemischt zu trinken bekommt. Zu seiner großen Freude.

15:28. Schwapp. Die Hälfte des Wasser-Apfel-Gemisches bildet eine Pfütze auf dem Boden.

Yeah, Sonne! Ab nach draußen! Huch, Regen?

Durch das Fenster blinzelt die Sonne. Damit habe ich an diesem grauen Sturmtag nicht mehr gerechnet. In Anbetracht der Unruhe, die mein Kind noch in sich trägt, und der Tatsache, dass er witterungsbedingt heute in der Kitazeit nicht draußen war, schalte ich blitzschnell: Schnell raus mit uns. Dazu muss man wissen, dass der Lütte ein absoluter Outdoor-Liebhaber ist. Einen ganzen Tag drinnen zu verbringen, ist für ihn eine echte Qual. Und für uns dann auch, denn die Anspannung entlädt sich in ratslosem Hin- und Herlaufen sowie traurigem an der Haustür rumdrücken. Der Lütte erinnert dann an einen Hund, der ganz dringend Gassi gehen muss.

Schlau wie ich bin fasse ich einen effizienten Plan: Der Lütte und ich können gemeinsam im Vorgarten Laub haken. Dabei kann er die notwendige Portion frische Luft schnappen und sich als Helferlein auch körperlich etwas ausleben, ich befreie mich währenddessen von dem schlechten Gefühl, in der Reihenhaussiedlung mal wieder vor allem durch den mit unzähligem Laub gefüllten ungepflegtesten Vorgarten und Gehweg aufzufallen. Win-Win. Gott, ich bin so clever.

15:37. Ich habe einen kleinen und einen großen Rechen aus dem Garten geholt, einen großen Beutel für Gartenabfälle ebenso. Ich schmeiße einen Ball vom Lütten rein und stelle ihn zusammen mit dem Mini Micro an die Haustür. Von der Garderobe nehme ich den wetterfesten Overall vom Lütten und seine Gummistiefel. Der Lütte freut sich wie Bolle als ich ihn anziehe. Wenige Minuten später sind wir beide fertig, gehen zur Haustür, öffnen sie – waaaaaas istd as denn? Wie auf Knopfdruck fällt wie aus Kübeln Wasser auf die Erde. Es regnet Bindfäden.

Ich schiebe den Lütten zurück ins Haus und schließe die Tür. Seine Mundwinkel ziehen ein betörendes Schippchen, als ich ihm die Gummistiefel wieder ausziehe gesellt sich ein flehendes Wimmern hinzu. Er tut mir leid. Ich nehme ihn auf den Arm und gehe mit ihm an die Terrassentür. Er wimmert noch immer. „Guck mal, es regnet so so doll. Wenn es aufhört, gehen wir raus, Versprochen.“ Sanft wiege ich ihn im Arm, flüstere tröstend auf ihn ein. Er beruhigt sich. Dreht irgendwann seinen Kopf zu mir, grinst provokant  und – ich ahne es bereits – grapscht nach meiner Brille. Ich drehe den Kopf mit einem energischen „Nein“ zur Seite und bekomme dafür seine kleinen Hände kräftig ins Gesicht geklatscht. Der Lütte lacht. Ich nicht.

15:50. Der heftige Schauer ist vorbei. Jetzt schnell raus. Ich kehre das Laub zusammen, der Lütte tut es mir auf seine Weise gleich. Ach, das ist doch nett, wie wir hier so zsuammen werkeln. Als ich im Vorgarten fertig bin, rollt der Lütte gerade zufrieden auf seinem Roller umher.  Ich gehe durch die Gartenpforte, schließe sie hinter mir und will noch eben den Gehweg vom Laub befreien. Das mag der Lütte allerdings so gar nicht: allein hinter verschlossener Tür stehen. Nöl, nöl. Deutlich tut er seinen Unmut kund und läuft dann in den Nachbargarten (ja, das geht bei uns), dessen Pforte er schon öffnen kann und steht dann triumphierend auf dem Gehweg. In diesem Moment fängt es wieder heftig zu regnen an. Ja kann das denn wahr sein?

16:12. Wir stehen überdacht vor der Haustür und warten. Warten findet der Lütte doof – ich auch. Aber es hilft ja nichts. Als es wieder aufhört, will ich nur eins: Das Laub schnell zusammenräumen und wieder nach drinnen gehen. Der Lütte will allerdings auf den Spielplatz und schlägt auf dem Gehweg diese Richtung ein. Ich schiebe ihn zurück. Er beschwert sich. Inmitten dieses Hin und Hers sehe ich zu, dass das Laub schnell im Abfallsack landet.

16:29. Wir sind wieder drin. Der Lütte hat den Knopf am Anrufbeantworter gefunden, mit dem man Nachrichten löschen kann. Und tut das begeistert. „Nachricht gelöscht. … Nachricht gelöscht. …. Nachricht gelöscht.“ Hurra, denke ich. Da hat er ja noch zwanzig Nachrichten vor sich, kann ich mal eben in meine Mails gucken. Nein, kann ich nicht. Wann immer ich nämlich in Anwesenheit meines Kindes den Laptop aufklappe, fühlt es sich herausgefordert, das, was er gerade entspannt tut, zun unterbrechen und für unenstpanntes Ambiente zu sorgen. Heißt dieses Mal: Noch einmal lautstark alle Legos durch das Wohnzimmer pfeffern.

Wunderwaffe Fingermalfarben – really?

Ich klappe den Laptop also wieder zu und besinne mich auf mein Tagesziel: sinnvoll und vorbildlich einen heiteren Nachmittag mit meinem Kind zu verbringen. Die Wunderwaffe namens Fingermalfarbe soll es nun also richten. Das kann nur gut werden, schließlich hat der Lütte das in der Kita schon einmal nur mit Windel bekleidet gemacht und laut den Erzieherinnen hat ihn das UNGLAUBLICH viel Spaß gemacht. Ein Beweisfoto unterstreicht dieses Schilderung glaubwürdig.

 

16:40. Der Lütte sitzt vor einem weißen Blatt auf dem aufgeschnittenen Müllbeutel. Ich stelle ihm zwei Töpfe mit Farbe hin, Rot und Weiß, damit er seine Finger reinstecken und sie dann auf dem Blatt Papier kreativ umherkreisen lassen kann. Der Lütte hat eine bessere Idee: Er kippt den Inhalt der Töpfe einfach komplett über sich aus. Ich bewahre lässige Fassung, schließlich hab ich ihn ja in weiser Voraussicht komplett nackig gemacht. Er patscht erst interessiert, dann zunehmend gelangweilt in der Farbe rum. Ich mache ein Handyfoto – sieht ja schließlich putzig aus so ein rot-weißer Nackedei. Das iphone bekommt dabei  ebenfalls Farbe ab. Hö, warum eigentlich? Ich hab doch gar nichts angefasst? Mir wird klar, dass Fingermalfarben ihren eigenen physikalischen Gesetzen folgen und überall sind, egal, wie vorsichtig man ist.

16:44. Der Lütte macht Anstalten aufzustehe  und die Folie zu verlassen. Das geht natürlich nicht. Jedenfalls nicht, bevor ich ihm zumindest die Hände und Füße gereinigt habe, damit wir es ohne Spuren ins Badezimmer schaffen. „Sitzen bleiben“, zische ich ihn an – für meinen Eindruck eine Spur zu unfreundlich. „Vergiss nicht, ihr wolltet einen fröhlichen Nachmittag haben“, mahnt das Engelchen auf meiner Schulter. Das Teufelchen reicht mir hektisch mehr Küchenrolle. Und der Lütte wird langsam echt unruhig.

16:50. Die Duschtür ist voller farbiger Fingerabdrücke, der Badvorleger hat auch einen kleinen Anstrich bekommen. Der Lütte sitzt in der Badewanne, die wiederum in der Dusche steht und guckt unglücklich. Ihm gefällt es nicht, in der Wanne zu sitzen, während der Duschkopf überhaupt erst warmes Wasser hineinsprudelt. Er beginnt zu weinen. Dieses Gesprudel behagt ihm nicht. „Wir müssen doch Wasser reinlassen“, versuche ich das rosafarbene Geschöpf zu beruhigen. „Schau mal, jetzt ist schon fast genug Wasser drin, gleich drehe ich die Dusche ab.“, Ich tätschle den kleinen nackten Rücken. Klappt ja echt super mit den fröhlichen Stunden zu zweit, seufze ich im Stillen.

Der Lütte strampelt das Wasser vergnügt in der Wanne herum, alles wieder gut. Ich schaue auf die Uhr. 17 Uhr. Grmpfh. Dauert noch, bis der Mann nach Hause kommt, stelle ich fest. Wir beenden das Badevergnügen zehn Minuten später, der Lütte wird von mir auf dem Wickeltisch abgetrocknet, massiert und angezogen. Dabei stößt er regelmäßig verzweifelte Schreie aus, um direkt danach über die Kraft seiner Stimme zu lachen. Auch das ist seit der Kita neu: Der Lütte schreit aus Spaß herum. ich weiß das. Unsere Nachbarn fragen sich wahrscheinlich, was ich dem Kind antue.

Wir spielen ein bißchen im Kinderzimmer. Also das Kind spielt. ICH sitze unambitioniert daneben. Und träume vom kleinen Fritt-Karussell, das derzeit in einem Bremer Einkaufszentrum kostenfrei genutzt werden kann. Der Lütte liebt´s – und verbringt darin gern einmal eine halbe Stunde. In Worten: dreißig Minuten. Ununterbrochen. Ich erwäge ernsthaft, solch ein Teil in unser Wohnzimmer zu stellen.

Der Herbst ist schließlich noch lang.

Und der Winter auch.

 

Nachtrag: Auf StadtLandMama gibt es gerade die Leserfrage „WIE ÜBERSTEHE ICH DIESE HERBSTNACHMITTAGE?“ Vielleicht mögt Ihr durch die Antworten in den Kommentaren stöbern.

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

7 thoughts on “Ein ganz normaler Herbstnachmittag. Oder auch: Waaaaas? 17 Uhr erst?

  1. Herzlichst gelacht! Und unsere nach der Kita-Nachmittage sind auch nicht so idyllisch wie zunächst gedacht. Wir waren ein echt gut funktionierendes 24 Stunden-Team, und müssen uns neu einruckeln… Der Sohn ist merklich unkooperativer – aus Erschöpfung trotz Mittagsschlaf.
    Wir versuchen aber an den meisten Tagen trotzdem rauszugehen, gestern natürlich nicht. Aber letztens waren wir auch bei leichtem Regen auf dem Spielplatz und es war total nett.
    Bei uns hilft tatsächlich im Haushalt mitarbeiten dürfen ganz viel (genau, das wird er irgendwann vermutlich nicht mehr machen), aber wir hängen zusammen Wäsche auf, staubsaugen, fegen… Das ist erstmal etwas zusätzlicher Aufwand, je öfter man es macht, desto einfach wird – zumindest bei uns.
    LG Nadine

  2. Aber trotz des nervenaufreibenden Szenarios musste ich beim Lesen grad herzhaft lachen. Nach so einem Nachmittag kannst du dir aber stolz auf die Schlüter klopfen. Später wenn sie größer sind, sind das bestimmt die Nachmittage an denen man mit dem Kind auf der Couch sitzt und Disney Filme guckt.
    By The way, wo steht das Fritt-Karussell? Außer in ein paar Wochen bei dir zu Hause? Das müssen wir mit Mattes unbedingt hin.

  3. … es war herrrlich zu lesen. Meine Piratin ist noch etwas jünger, aber die Nachmittage werden auch nicht leichter, umso schlechter sich das Wetter zeigt. Gemeinsam kann man sehr viel mehr darüber lachen! 😀

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