Wie privat ist zu privat? Oder auch: Meine persönliche Meinung zu Privatsphäre im Netz

Zack – schon sind wieder gut zwei Wochen seit der Blogst-Konferenz in Berlin vergangen. Früher hätte ich mich direkt nach der Rückkehr an einen umfangreichen Rückblick gesetzt, um die Eindrücke und Gedanken rund um das Blogger Event mit Euch zu teilen.  In diesem Jahr freue ich mich im Stillen darüber, dass ich mich überhaupt drei Tage von Kind und Schreibtisch loseisen und mal einen Tapetenwechsel genießen konnte, und greife lediglich ein Thema der Konferenz raus: Privatsphäre im Netz.

BLOGST 2017: „Wie privat ist zu privat?“

Um ehrlich zu sein, habe ich bei meinem diesjährigen BLOGST-Besuch, meinem dritten, einige Sessions und die Party am Samstag geschwänzt und statt dessen mal die Dinge gemacht, für die seit der Geburt des Lütten zu wenig Zeit ist: Ich war bummeln, hab ein bißchen geshoppt und mich mit Freundinnen, die ich viel zu selten sehe, abends gemütlich ins Restaurant gesetzt. Kleine Gastro-Empfehlung am Rande: Wenn Ihr wie ich gern Fisch esst, solltet Ihr vor Eurem nächsten Aufenthalt in der Hauptstadt im Funky Fish  einen Tisch reservieren.

Obwohl ich auch mein Frühstück am zweiten Konferenztag gern noch weiter ausgedehnt hätte, saß ich dann doch pünktlich zum ersten Vortrag in der University of Applied Sciences. Erstes Topic am Sonntag war nämlich „Privatsphäre im Netz“. Ein Thema, das Blogger, die über ihren Familienalltag und das Leben mit Kindern schreiben, deutlich mehr beschäftigt als einen Food- oder Reiseblogger. Mich auch. Außerordentlich. Und immer wieder. Daher fühlte es sich für mich fast wie eine Pflicht an, den Vortrag von Jette alias supermom zu hören.

Jette sprach und ich sinnierte. Schaute auf die Foto- und Postingbeispiele, die während des Vortrags an die Wand geworfen wurden. Und dabei erhielt meine Haltung zur Frage, wie privat zu privat ist, nochmal deutlichere Konturen. Meine drei wesentlichen Überzeugungen möchte ich mit Euch teilen. Als Gedankenanstoß. Als Diskussionsgrundlage. Denn eins möchte ich vorweg sagen: Ich toleriere jeden, der es anders handhabt. Die folgenden Punkte sind meine ganz persönliche Wahrheit. Stand November 2017.

1. Privatsphäre hat nicht nur etwas mit Fotos zu tun

Wann immer über Privatsphäre beim Bloggen über Familienthemen gesprochen wird, spielen Fotos die Hauptrolle. Darf man das Kind komplett zeigen oder nur von hinten? Reicht ein Emoji überm Gesicht aus oder sollte das Kind überhaupt nicht zu sehen sein? Ich frage jetzt aber mal ketzerisch was ganz anderes:

Was ist privater: Ein Kind von hinten im heimischen Badezimmer beim Zähneputzen zu zeigen, aber darunter in aller Ausführlichkeit über seinen letzten Trotzanfall  beim Zu-Bett-gehen sowie seine innige Verliebtheit zu seinem Kuscheltiger namens Eddo (fiktives Kuscheltierbeispiel – ich hoffe, niemand hat einen Kuscheltiger namens Eddo und fühlt sich angesprochen) zu schreiben ODER ein Kind frontal auf einer Wiese zu zeigen und das mit einem „Wir hoffen, Ihr genießt die Sonne heute in Paderborn genauso wie wir!“ zu kommentieren?

Fotos so aufzunehmen, dass das Gesicht des Kindes nicht zu sehen ist, hat nicht sofort etwas mit dem Schutz der Privatsphäre zu tun. Auch die Inhalte der Texte sind schnell privat, manchmal deutlich privater als ein Bild sein kann. Dieser Aspekt bereitet mir in meinem Blogging-Alltag deutlich mehr Kopfzerbrechen als die Fotofrage. Wenn ich darüber schreibe, dass ich manchmal darunter leider, dass mein Kind keine Nähe braucht, gebe ich schließlich eine Menge über sein Wesen und seine Persönlichkeit preis. Ist das in Ordnung? Die Frage habe ich mir vor meinem Attachment Parenting-Artikel „Knuddeln verboten“ ganz ganz lange gestellt. Ich habe am Ende doch darüber gebloggt. Warum? Weil ich zu diesem Thema so lange im Netz nach Erfahrungsberichten gesucht habe und nur wenige fand . Weil es mir geholfen hätte, zu wissen, dass es auch andere Mütter gibt, die meine Situation teilen. (Und die gibt es zuhauf, wie wie die anschließenden Reaktionen und der Diskurs auf der Facebook-Seite von Susanne gezeigt haben.) Kurz gesagt: Weil ich glaube, dass der Artikel einen echten Mehrwert für die Diskussion um AP einerseits und für „betroffene“ Eltern haben kann.

Es gibt aber einige persönliche Geschichten und Gedanken aus meinem Alltag als (arbeitende) Mutter, von denen ich weiß, dass sie mir viel Reichweite bringen könnten, weil sie in Bereiche fallen, die auch ich auf anderen Blogs gern lese – ich schreibe aber dennoch nicht darüber und nehme weniger Reichweite in Kauf. Weil ich die Frage „Ist das wirklich in Ordnung?“ nicht eindeutig mit „ja“ beantworten kann. Und für mich gilt: Im Zweifel gegen den Blogbeitrag.

2. Schutz der Privatsphäre vs. Schutz des Kindes

Nun könnt Ihr zurecht sagen: „Hä? Wenn der Inhalt für Dich privater ist als das Bild, warum zeigst Du Deinen Sohn dann dennoch nicht von vorn?“ Ich würde das wahnsinnig gern, weil ich ihn natürlich zum Dahinschmelzen niedlich finde. Aber ich tue es nicht, um mein Kind zu schützen.  Wohlgemerkt: Mein Kind, nicht vorrangig seine Privatsphäre. Es geht mir um seine Unversehrtheit. Ich will nicht, dass Menschen, die Böses im Schilde führen, eine „emotionale Beziehung“ zu ihm aufbauen. Und ich habe den Eindruck, dass man bei einem Blick direkt ins Gesicht, in die glänzenden Kinderaugen, solch eine Gefühlsebene aufbauen könnte. Eine Gefühlseben, die irgendwann zu einer Idee von „Dem will ich persönlich nahekommen“ führen kann. Ich bin kein Psychologe und vielleicht liest sich das für einige von Euch echt befremdlich, aber es ist mein persönliches Bauchgefühl. Ich will schlicht nicht, dass mir mein Kind weggeschnappt oder ihm etwas angetan wird. Und ich bilde mir ein, dass die Wahrscheinlichkeit geringer wird, wenn er nicht vollständig zu sehen ist. Auch weil so eine Wiedererkennung im echten Leben erschwert wird.

3. Geht es um mich allein, definiere nur ich, was mir zu privat ist

Last but not least bin ich der Meinung, dass jeder Blogbeitrag und jedes Posting, bei dem es allein um denjenigen geht, der ihn bzw. es verfasst, so privat sein darf, wie derjenige es eben möchte. Jemand möchte sich in Unterwäsche stillend im Schlafzimmer zeigen? Bittesehr. Jemand möchte sich gar nicht zeigen, sondern nur Ansichten seines Urlaubsortes teilen? Auch gut. Beobachtet doch mal das Verhalten von Gästen auf einer Party: Der eine erzählt vielleicht gerade mal, was er beruflich macht, der andere erzählt wildfremden Leuten gleich vom aktuellen Trennungsschmerz. Auch analog geht jeder anderes mit Informationen über sich und sein Leben um.

Die Frage „Wie privat ist zu privat?“ stelle ich mir nur dann, wenn es auch andere Menschen betrifft. Wenn ich über unseren Familienurlaub schreibe, dann ist es theoretisch möglich, dass Geschäftspartner meines Mannes diesen Blogbeitrag lesen. Was würde mein Mann bei einem Geschäftsessen diesen Menschen von unserem Urlaub erzählen? In jedem Fall weniger als ich es bei ähnlichen Kontakten tun würde. Und das gilt es zu berücksichtigen, finde ich.  Von daher fallen Artikel, die nur mich betreffen, anders aus als die, in der es um den Familienalltag oder den Lütten geht.

Und sonst so?

Ja, so sehen sie aus, meine drei wichtigsten Überzeugungen.Persönliche Daten wie Name, Krankheiten und Kita-Standort gehören für mich übrigens auch ganz grundsätzlich nicht ins Netz. Der Sonntagmorgen auf der Blogst war jedenfalls eine gute Gelegenheit, mich zu vergewissern, ob ich aktuell alles noch so mache, wie ich es für richtig halte.

Tipp zum Weitersurfen: Falls Ihr Euch noch weiter zu diesem Thema einlesen wollt, dann werft doch auch mal einen Blick in die Berichterstattung und die Blog-Beiträge, die rund um die Kampagne #erstdenkendannposten des Deutschen Kinderhilfswerk entstanden sind. Alu und Patricia haben beispielweise etwas dazu veröffentlicht.

Und nun Feuer frei für EURE Gedanken und Anmerkungen. Ich höre?!

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

11 thoughts on “Wie privat ist zu privat? Oder auch: Meine persönliche Meinung zu Privatsphäre im Netz

  1. Das kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich habe auch als Leserin das Gefühl, dass du eine gute Balance findest. Du gibst auch ein paar Einblicke, aber ich habe nie das Gefühl, dass ich in dein Privatleben eindringe, so wie ich das manchmal bei anderen Bloggern habe.

    1. Danke für das Feedback, Lena. Genauso soll der Blog tatsächlich sein: Persönlich, aber nicht privat. Wenn mir das Deiner Ansicht nach gelingt, freut mich das sehr.

  2. Hallo Sandra. Schwieriges Thema. Ich finde da auch, dass man aufpassen sollte. Man weiß ja auch nicht, wer von den Kindergarteneltern, Schulkindern, Arbeitskollegen mitliest. Ich verurteile andere nicht aber mir fällt das schwer. Ich mag von mir selbst auch nichts preisgeben. U.a. berufsbedingt bin ich da auch sehr vorsichtig und daher poste ich z.B. Bei Instagram so gut wie gar nichts (mit Inhalt). Ein Leben, wie es diesbezüglich viele große Accoounts führen, ist für mich unvorstellbar. Selbst in meinem kleinen Rahmen überarbeite ich ständig die Followerliste und hinterfrage, ob ich möchte, dass A oder B dieses oder jenes liest/sieht

  3. Hallo Sandra,

    sehe das eigentlich genau so. Prinzipiell würde ich gerne Fotos von unserem Fräulein zeigen, weil sie so unsagbar süß ist (aber das kennst Du ja), und ich denke auch, dass es da viele harmlose Bilder gibt, deren Veröffentlichung die Privatsphäre meines Kindes nicht wirklich verletzen würden, aber ich habe auch eher Angst, dass es irgendwelche „bösen“ Menschen gibt. Daher versuche ich auch ihren Namen nicht zu veröffentlichen. Ganz klar sehe ich das für Netzwerke wie Instagram oder Facebook, aber auch bei WhatsApp wird sie nicht mein Profilbild zieren oder in einem Status auftauchen, solange sie nicht sagt bzw. sagen kann, es ist in Ordnung. Vielleicht bin ich ja da etwas paranoid. Keine Ahnung.

    Was Blogposts angeht, bin ich eh immer unsicher, ob ich etwas so schreiben kann oder es zu privat ist. Dabei lese ich gerade das gerne bei anderen. Vor einigen Wochen bin ich schon einmal über das Thema gestolpert und habe daraufhin auch überlegt, ob meine monatlichen „Updates“ über die Entwicklung vom Fräulein so in Ordnung sind oder nicht, aber ich habe für mich beschlossen, dass es ganz objektive Zusammenfassungen sind und ich vieles , was vor ein paar Monaten war sonst schon gar nicht mehr zuordnen könnte. Ich habe aber auch noch einige Entwürfe, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich das wirklich so schreiben kann.

    Es ist halt schwierig, weil es selten nur einen selbst betrifft.

    LG Stephi

    1. Ja, es ist echt schwierig. Ich glaube, das Wichtigste für alle, die im Netz aktiv sind, ist es, sich ÜBERHAUPT mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sich die Frage einmal oder mehrfach ernsthaft zu stellen, ob man an den Schutz des Kindes denkt. Ich finde das nicht paranoid, sondern verantwortungsvoll!

  4. Sehr interessanter Artikel über ein Thema, über das ich jetzt schon häufiger nachdenke. Denn tatsächlich muss ich mir ja schon während der Schwangerschaft überlegen, was ich preisgebe und was nicht. Natürlich wird es noch relevanter, wenn das Baby einmal da ist.

    Deinen Ansatz auch über den Inhalt der Texte nachzudenken finde ich übrigens total nachvollziehbar. Dazu werde ich mir auch nochmal mehr Gedanken machen.

    Die Begründung das Gesicht des Kindes nicht zu zeigen, um es nicht erkennbar zu machen kann ich ebenfalls nachvollziehen. Manchmal stelle ich mir vor, dass ich auf der Straße erkannt werde, obwohl es nicht viele Bilder von mir im Netz gibt. Ich hab nicht den blassesten Schimmer wie ich damit umgehen sollte. Und wenn dann jemand auf mein Kind zugeht und sagt „da ist er/sie ja…“ – nee, da wüsste ich noch weniger was ich machen soll.

    Also, alles in allem: interessanter Beitrag, den ich mir merken werde, um mir beizeiten meine eigene Strategie zurechtzulegen 🙂

    Schönen Sonntag noch!

    1. Liebe Mareike, ich wünsche Dir erst einmal weiterhin eine gute Schwangerschaft. Wenn ich ein bißchen bei Deinen Überlegungen unterstützen konnte, freut mich das sehr. Es ist ein schwieriges Thema, für das es letztlich nur ganz individuelle Antworten geben kann. Du wirst Deine sicher finden. Und wie gesagt: Im Zweifel einfach lassen. Damit fährt man immer gut, denke ich. Alles andere wird Dir Deine INtuition sicher sagen.

      Herzliche Grüße
      Sandra

  5. Liebe Sandra,
    ich musste jetzt erstmal ein paar Tage mit dem Beitrag schwanger gehen und jetzt möchte ich auch mal meinen Senf dazu geben, oder eher: zustimmend nicken.
    Denn ich finde, du hast es mit diesen drei Punkten sehr schön getroffen.
    Bilder oder Gesichter zeigen sind nicht immer gleich ein Eingriff in die Privatsphäre. Obwohl man natürlich immer gut überlegen sollte, was man vom Leben teilt. Aber genauso finde ich es auch wichtig, selbst wenn man persönlich und vielleicht auch manchmal tagebuch-ähnlich schreibt, abzuwägen, wie das für den kleinen Menschen sein könnte.
    Am wichtigsten finde ich für mich, mein Handeln und den „Veröffentlichen“-Button immer wieder zu hinterfragen und nicht einfach so drauf los zu posten.
    Und ich möchte deinen Beitrag auch noch mal nutzen, um dir zu sagen, wie berührend ich deinen Attachment Parenting-Artikel fand! Das finde ich wirklich wahnsinnig mutig von dir, sowas zu publizieren und deine Ängste zu teilen und es war auch total Horizont-erweiternd für mich.
    Mach weiter so. Ich lese immer sehr gern.
    Liebste Grüße aus der Neustadt

    1. Danke für Dein Feedback – und vor allem zu Deinem „Nachklapp“ in Sachen AP-Artikel. Das bedeutet mir wirklich enorm viel, denn das Thema ist noch immer ein sehr schweres für mich. Ebenso schwierig war es, bei diesem Artikel auf „veröffentlichen“ zu drücken. Umso mehr freue ich mich darüber, dass er so positivund dankbar aufgenommen wird.

      P.s. Wir müssen uns echt bald mal sehen.

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