Ich hatte viel Zeit im Urlaub. Zwischen all den Aktivitäten wie Sport, Sauna, Radtouren und Wattwanderung gab es ausreichend viele Entspannungsfenster. Und dennoch habe ich es nicht geschafft, mein bereits vor dem Urlaub begonnenes Buch „Das Gleichgewicht der Welt“ von Rohinton Mistry zuende zu lesen. Bei meiner Rückkehr hatte ich noch immer 100 Seiten übrig.
Sagt das etwas über die Qualität des Buches aus? Nein. Es war gut. Informativ. Schockierend. Unterhaltsam. Mir persönlich allerdings 200 Seiten zu lang. Ab Seite 500 wurde der Reiz des Weiterlesens kleiner. Worum geht´s überhaupt? Um unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, die im Bombay der 70er Jahr aufeinandertreffen. Sowohl die Protagonisten – zwei Schneider – als auch die Nebenfiguren kämpfen mit quälenden Schicksalsschlägen: Verarmung, Zwangskastrierung, Krankheit, Verlust von Nahestehenden, politischer Willkür, Gewalt. Es ist erstaunlich, wie ein Autor es schaffen kann, die traurigen Geschichten dieser Menschen in ein Buch zu packen, das einem nicht permanent den Hals zuschnürt. Mistry beschreibt, ohne moralisch zu werten. Es sind neutrale Schilderungen, die eigen gewählte Gefühle erlauben.
In jedem Fall macht der Roman auf lesenswerte Weise deutlich, wie gut wir es in Europa haben. Das wir es sind, die sich im Gleichgewicht befinden, Bzw. dass durch uns das Gleichgewicht der Welt überhaupt zustanden kommt. Denn eines ist deutlich: das im Buch beschriebene Indien legt sein Gewicht fast vollständig auf die schlechte Seite der Weltwaage. Und ich las davon im Sylter Sonnenschein bei einem kühlen Becks. Schon verrückt.
Ich habe das Buch vor ca. 1 Jahr gelesen und es verfolgt mich bis heute. Wie können Menschen, die ihr Leben in die Hand nehmen, so untergehen. Sollte das Glück nicht mit den Mutigen sein?
Da hast Du vollkommen recht. „Gerechtigkeit“ ist ein Prinzip, das es in diesem Buch nicht gibt. Überhaupt nicht. Schockierend.