Wenn bei Rantum die rote Sonne im Meer versinkt | Sylt-Konfetti #1

„Ich fahre jedes Wochenende nach Sylt!“ Ich schaute den adrett gekleideten Mann um die 60 an. Boss-Polohemd, helle Chino, gute Uhr, sportliche Umhängetasche im Segler-Style – na klar, dachte ich ad hoc bei mir, das sind sie, die vermeintlich typischen Sylt-Urlauber, die jedes Wochenende in ihr Ferienhaus in Kampen düsen. Ich schaute auf meinen Seebeutel, meine Jeans und meinen leicht abgeblätterten Nagellack und sinnierte darüber, wie unterschiedlich Menschen, deren Leidenschaft Sylt ist, doch sein können. Für mich ist ein Flug nach Sylt ein wahres Highlight, für andere business as usual?

Aber ich sollte nicht Recht behalten mit meinem Eindruck. Denn schon nach wenigen Sätzen, die wir auf dem Weg zur kleinen Propeller-Maschine miteinander sprachen, erfuhr ich dies: Herr M., Arzt aus Bremen-Nord, pendelt von Sylt in die Hansestadt. Er arbeitet in Bremen, seine Familie lebt aber schon immer in Hörnum auf Sylt. Er ist ein echter Sylter, seine Eltern lebten sind aus Keitum. Was für mich auf dem ersten Blick wie ein großspuriger Lebensstil aussah, entpuppte sich als gar nicht so einfache Situation: Bislang fuhr Herr M. stets mit dem Auto am Freitagmittag in Richtung Nordsee. Wer die Verkehrslage rund um den Elbtunnel kennt, weiß, dass eine Tour nach Sylt dann gut und gern bis zu sieben Stunden dauern kann. Wenn es gut läuft nur vier. Für ihn ist der vierzigminütige Flug, den es jetzt ab Bremen gibt, daher ein Gewinn von Lebenszeit. „Im Vergleich zu Sprit und Autozug zahle ich für diesen Flug nun 70 Euro mehr. Bekomme dafür aber rund 10 Stunden Zeit mit meiner Familie!“. Besser können 70 Euro nicht investiert sein, oder?

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Seid Ihr schon mal Propellermaschine geflogen? Ich bislang noch nicht. Uiuiuiui, das schaukelt ja ganz schön. Fliegen in reinster Form, bei der man sich anfangs fragt „Ist das normal oder sind wir absturzgefährdet?“ Arjen, unser niederländischer Pilot, sah aber während des Flugs genauso fröhlich aus wie vorher, daher habe ich lieber den Ausblick auf die nordfriesischen Insel genossen statt mir Sorgen zu machen. Und wir sind dann ja auch gut gelandet.

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Vom Flughafen aus war ich in zehn Minuten in meiner Westerländer Pension angekommen. Wenn man nur ein Wochenende auf Sylt ist, dann ist Westerland durchaus der bester Ort, um unterzukommen. Eigentlich mag ich Rantum oder andere etwas weniger frequentierte Orte zwar lieber, aber von Westerland aus ist man nun mal schnell überall, hat die Busverbindungen und alles andere, was man so braucht, vor der Tür und kommt mit dem Fahrrad auch schnell überall hin. Das Haus Dünental, wo ich zwei Nächte verbrachte, hatte eine perfekte Lage direkt am Strandübergang der Beachbox. Sehr gepflegt und ordentlich war es ebenfalls, lediglich ein wenig hell (die Rolladen waren weiß) und hellhörig. Wen das nicht stört und wer keinen Wert auf megachice hippe Einrichtung legt, ist dort durchaus gut aufgehoben.

Natürlich habe ich eilig meinen Koffer abgeworfen, um dann schnell an den Strand, ans Wasser, zu den Strandkörben zu düsen. Als ich die Spitze des Strandüberganges erreichte und den ersten Blick auf den Westerländer Strand erhaschte, war ich zugegebener Maßen im ersten Moment ein bißchen überfordert. Dazu muss man eines wissen: Die rund 20 Mal, die ich bisher auf Sylt war, war stets Nebensaison. Dieses Mal war Hauptferienzeit in einigen Bundesländern, der Himmel war strahlend blau und die Sonne ließ das Thermometer auf 26 Grad steigen. Badewetter pur! Blauen Himmel auf Sylt kannte ich schon auch, aber Badewetter war für mich neu. Und dementsprechend  ungewohnt war für mich das Bild, so viel Trubel zwischen den zahlreichen Strandkörben zu sehen, Unzählige Möwen kreisten über den Badegästen in der Hoffnung, einen Keks oder Ähnliches mopsen zu können. Stimmengewirr, Eis am Stiel, plantschende Kinder im Meer – das habe ich so noch nicht gesehen. Und wünschte mir im ersten Moment die gewohnte Ruhe zurück.

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Die war aber schnell gefunden. Barfuss lief ich zehn Minuten in südliche Richtung und schon wurde der Trubel deutlich weniger. Statt dessen konnte ich mich in den Sand hocken, lesen, die Sonne genießen und zwei jungen Surfern bei ihren Übungseinheiten zuschauen. Und in dem Moment war ich vollkommen angekommen. Das Büro, das ich vier Stunden zuvor verlassen hatte, war weit weit weg, „meine“ Insel wieder ganz nah. Herrlich!

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Nach zwei Stunden ging es kurz zurück zur Unterkunft. Aber nur, um mich in eine lange Hose zu werfen und einen Pulli einzustecken. Der sonnige Nachmittag versprach einen grandiosen Sonnenuntergang – und den wollte ich in Ruhe genießen. Schnell zum Bahnhof gestiefelt, ein Fahrrad geliehen, im Supermarkt ein bißchen Sonnenuntergangstaugliches Proviant besorgt… Dan ging´s nach Rantum. Ich stellte mein Rad beim ersten Strandabschnitt, der auch für Hunde erlaubt ist, ab und lief durch die Dünen. Und freute mich nochmal wie Bolle, dass ich das überhaupt machen konnte:

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Tja, und was ich dann erlebte, kann ich an dieser Stelle nur schwer in Worte fassen: Ein glühendes Farbenspiel von zart bis intensiv erstreckte sich in den kommenden zwei Stunden vor meinen Augen. Nur in Gesellschaft von wenigen Passanten und ein paar Hunden, die den Anblick ebenfalls zu genießen schienen, beendete ich den Sylter Freitag in aller Ruhe.

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Diese Muße konnte ich gut gebrauchen, war für den nächsten Vormittag dich ein deutlich schweißtreibenderes Programm angesetzt. Tom auf Sylt und ich waren verabredet. Im Sportdress, Aber davon berichte ich Euch im nächsten Beitrag des Sylt-Konfettis. Erstmal wünsche ich Euch ein tolles Sonnenhitzensommer-Wochenende. Vielleicht erwischt Ihr ja auch einen grandiosen Sonnenuntergang?

Ahoi!
Sandra

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

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