Netzgemüse

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In der Schwankhalle Bremen ist es derzeit ganz schön pink. Die knallige Farbe prangt am Kassentresen, auf dem Programmheft, an den Fensterscheiben des Foyers. Es ist das OUT NOW-Pink, das gestern Abend bereits auf das morgen startende Festival hinwies. Gestern schwebte allerdings noch ein bißchen Möhrengelb, Gurkengrün und Tomatenrot durch den kleinen Saal der Schwankhalle. Also im ganz ganz übertragenen Sinne. Tanja und Johnny Haeusler waren mit ihrem Buch „Netzgemüse“ zu Gast.

Es war eine unerwartet kleine Publikumsrunde, vor der die beiden standen. Ich hatte mit deutlich mehr Web 2.0-Fans und interessierten Eltern gerechnet, waberte der Buchtitel der beiden re:publica-Gründer doch monatelang durch die Presse und das Internet. Aber mir sollte diese persönliche face to face-Atmosphäre recht sein, sorgte sie doch im Anschluss noch dafür, dass ich mit den beiden noch gut zwei Stunden beisammen saß.

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Wer mit Kindern bzw. Jugendlichen zusammen lebt, der ertappt sich sicher immer wieder beim heimlichen Gedanken oder öffentlich ausgesprochenen Vorwurf „Jetzt kleb doch nicht immer von dem Internet fest, lies doch mal ein Buch“. Verblödung, Abbau von Konzentration, Isolation, Mangel an sozialer Kompetenz – das sind die vermeintlichen Gefahren, vor denen Eltern ihren Nachwuchs fernhalten wollen, wenn sie ganz begrenzte Computerzeiten vorgeben oder sich weigern, dem Sprössling ein Smartphone zu kaufen. Eine zunächst verständliche Reaktion. Selbst ich, die mit Laptop ins Bett geht und morgens neben der Zahnbürste auch das iphone in der Hand hat, rolle manchmal mit den Augen, wenn die Jungs des Liebsten an nichts anderes als Facebook denken können. Doppelmoral, nicht wahr? Vor allem, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie hilfreich das Internet sein kann, welchem Ansporn meine Kreativität beim Lesen anderes Blogs erhält, wie viele spannende Termine ich ohne Facebook verpassen würde und dass ein Wohltätigkeitsprojekt wie die Benefiz-Bloogger ohne das soziale Netzwerk niemals gestartet wäre.

Zurecht appellieren daher die Haeuslers daran, Kindern diese positiven Aspekte des Netz vor Augen zu führen und die digitalen Medien als Wissensfundus und Kommunikationsweg in den Alltag zu integrieren. Und auf Eigenverantwortung in der Nutzung zu setzen. Indem eine wöchentliche Surfzeit eingeräumt wird, die das Kind sich selbst einteilen muss. Indem das Kind seine Hobbytermine im Smartphonekalender selbst zu verwalten lernt. Indem es bei der Urlaubsplanung mal selbst bei Googlemap schaut, wo das potentielle Ziel liegt. Als Eltern von 11- und 14-jährigen Söhnen setzen die Blogger aber auch auf klare Regelungen: Dass das Handy beim Zubettgehen nicht mit ins Zimmer genommen wird beispielsweise. Und keine Spielekonsolen oder PCs auf dem Zimmer stehen.

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Besonders eingängig belegten Tanja und Johnny Haeusler, dass die Abneigung der neuen Medien ein bekanntes Phänomen ist. Ob bei der Etablierungen von Zeitschriften, Romanen oder Kinofilmen – alle Neuerungen waren von Mißtrauen begleitet. Beispiel gefällig?

Die Bilderreihen dagegen töten die Phantasie, da sie den produktiven Anlagen de Beschauers keinenRaum mehr lassen. Sie drücken das des Lesens bereits kundige Kind mit Gewalt auf die primitive Stufe des vorschuligen Kleinkindes herab und gewöhnen es an das bequeme Mittel des Nur-Schauens, des wahllosen Aufnehmens von Bildern. Die Eltern wissen nicht, was sie ihren Kindern antun.

Geht´s hier um vielleicht um Youtube? Nein, ganz und gar nicht: Es ist ein Zitat aus dem Jahr 1956. Thema: Comics! Derartige Statements, die auch heute mit Blick auf das Internet Gültigkeit haben könnten, gab es in der Vergangenheit immer wieder. Romane etwas schlechtes? Zeitung auch? Das Telefon ein Teufelswerk? Kommt uns heute absurd vor. Wird es in 50 Jahren im Rückblick mit dem Web nicht vermutlich genauso sein?

Wir werden sehen. Fakt ist: Das Web 2.0 ist Teil unserer Lebenswelt und wie Fahrradfahren oder Einkaufszettel schreiben ist das Bedienen des Internets eine Technik, mit der man Kinder vertraut machen sollte. Im Buch „Netzgemüse“ findet man dazu einige Gedanken. Und in der Schwankhalle immer wieder überraschend nette Veranstaltungen.

 

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

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