Da stehen sie noch ganz unangetastet in Reih und Glied, die typisch weiß-blauen Strandkörbe von Westerland. Abends sieht das Bild ganz anders aus: Die Nordsee-Spaziergänger und Badegäste haben sie immer der Sonne entgegen gedreht, Gruppen haben drei Körbe zusammengerückt und wieder andere lassen die Körbe wie sie sind. Auf jeden Fall ist dann von der ursprünglichen Struktur nicht mehr viel zu sehen. Wie von Zauberhand ist am nächsten Morgen aber alles wieder aufgeräumt und im Wesentlichen nach Zahlen geordnet. Diese Zauberhände gehören im Sommer den 25 Sylter Strandkorbwächtern.
Strandkorbwächerin? Vielleicht sollte ich das irgendwann auch mal werden, um Job und Leidenschaft miteinander zu verbinden? Bevor ich das entscheiden kann, muss ich aber erst einmal mehr über die Aufgaben, die dann täglich auf mich einprasseln würden, erfahren. Dachte ich so bei mir und verabredete mich für den Sonntag meines Sylt-Wochenendes mit Karl-Heinrich Andresen. Er ist seit zwölf Jahren Strandkorboberwärter und weiß alles rund um die beliebteste Sitzgelegenheit der Nordsee.
Gleich zu Beginn beantwortet er mir meine neugierigste Frage: Entsprechen die Zahlen auf dem Strandkorbrücken auch der Gesamtzahl an Körben auf der Insel? Ich bekomme ein klares „Nein“ als Antwort. Wer einmal durchzählen würde, käme auf die Zahl 3714. So viele Körbe stehen in diesem Sommer auf den Sylter Strandabschnitten. Die höchste Zahl, die man auf einem Korb lesen kann, ist dennoch die 5918. Maritime Mathematik ist einfach nicht mit der gewöhnlichen zu vergleichen, merke ich. Auch das Geheimnis um die stets am Morgen in Reih und Glied stehenden Körbe lüftet sich: Täglich um halb 8 ist das gleichmäßige Ausrichten die erste Amtshandlung der Strandkorbwächter. Konkret heißt das: 50 bis 400 Mal, je nach Strandabschnitt, den Korb in Richtung Sonnenlicht wuppen, damit der Tau schnell trocknet. Hmm, wenn ich meine kleinen Ärmchen so betrachte ein erstes Indiz dafür, dass ich als Strandkorbwächterin vielleicht doch nicht so geeignet bin?
Neben der Kontrolle und dem Ausrichten der Körbe hätte ich als Strandkorbwächterin aber vor allem eine Aufgabe: sie zu vermieten! Ich gebe zu: Auch ich habe schon mal in einem Strandkorb gesessen, ohne vorher dafür zu bezahlen. Das war allerdings in der Nebensaison und außerhalb des Westerländers Trubels. Und prompt hatte der dortige Wächter das dann auch mitbekommen, so dass ich am Ende doch noch den Geldbeutel zücken musste. Aber klar, Pflege der Körbe, Neuanschaffungen, Personal – das alles kostet. Wenn wir also weiterhin in den nordischen Genuss der blau-weißen Körbe kommen wollen, muss das natürlich sein.
Früher verlief das Mietgeschäft noch mit Klemmbrett und Kugelschreiber. Heute wird es zunehmend digitaler, denn man kann sich seinen Wunschkorb auch online sichern. Wunschkorb? Ja, berichtet mir Herr Andresen, es gibt sogar Menschen, die schon am Beginn des Jahres „ihren“ Korb für den Sommerurlaub buchen. Einfach um sicher zu sein, dass sie einen erwischen, der ihrem Geschmack entspricht. Da bin ich dann doch erstaunt, als ich das höre. Später dann lächle ich über den Slogan, der mir auf der Website der Vermietung entgegenschimmert: „So schön kann es sein, eben Korb zu bekommen.“ Wie wahr.
Nette Männer wie dieser dort oben, Jörg Niewert, sind es dann, bei denen die Menschen mit Barcode auf dem Handy, Reservierungsbestätigung oder ganz traditionell mit Geldmünzen in der Hand ihren Strandkorb für den Tag leihen. Vermietungshäuschen gibt es entlang des gesamten Weststrandes: in List, Kampen, Wenningstedt, Westerland, Rantum und Hörnum. Wie viele Menschen am Tag leihen verändert sich immer proportional zum Wetter. An diesem Sonntag, der grau ist und später noch ordentlich verregnet sein soll, ist nicht viel los. Dabei gefallen MIR diese Tage ja mit am Besten. Wärter Niewert und seine Kollegen haben an diesem Sonntag aber hier und da Zeit für ein Schwätzchen mit den Rettungsschwimmern oder anderen bekannten Gesichtern . Und die Muße, sich um verunglückte Bloggerinnen zu kümmern. Als ich gerade dieses Foto hier…
… geschossen hatte und einen Schritt rückwärts zurücktrat, wußte ich nicht mehr, dass hinter mir ein kleines Transportgerät gestanden hatte. Das, auf dem Herr Niewert zuvor noch fürs oben gezeigte Foto entspannt lehnte. Linker Fuß blieb daran hängen, mein restlicher Körper segelte elfenungleich in den Sand. AUTSCH! Dazu muss man wissen, dass sich der linke Fuß gerade erst halbwegs von einer Bänderdehnung erholt hatte. Verflixt und zugenäht, das tat weh.
Aber das Strandkorbgespann Andresen und Niewert waren sogleich heldenhaft mit kalten Umschlägen zu Stelle. Und wie sich nun, rund vier Wochen später zeigt, hat sich der Fuß dann doch schneller erholt als befürchtet.
Wenn man dann schon mal die Chance hat, einen Strandkorb-Experten auszufragen, habe ich das auch gleich mal für unsere eigenen Kaufpläne genutzt: Worauf muss ich achten, bevor ich mir einen eigenen Strandkorb in den Garten stelle? Wie der eine klare Antwort: „Er sollte so schlicht und einfach wie möglich sein. Jedes zusätzliche Detail macht ihn anfälliger. Und auf eine Polsterung sollten Sie auch nicht unbedingt setzen, das macht alles entspannter. “ Und dann erreicht mich die wohl spannendste und großartigste Nachricht des Treffens: „Einen unserer Sylt-Körbe können Sie ja schon für 150 Euro bekommen!“ Waaas? So ein Schnäppchenpreis für einen echten Sylter Strandkorb? Wie das? Tja, das ist schnell erklärt: Nach sieben bis elf Jahren ist die Lebenszeit am Sylter Strand für einen Korb zum Vermieten vorbei. Dann wird er nach Rantum in die Hafenstraße abtransportiert und wartet nur darauf, dass jemand vorbeischaut und ihn mitnimmt. Leider ist es nicht möglich, ihm liefern zu lassen oder aus der Ferne zu bestellen, aber wer in der entsprechenden Jahreszeit, wenn die Körbe langsam in das Winterlager einziehen, auf der Insel ist, kann dann das Geschäft seines Lebens machen. Ich meine, hey! Ein echter Sylter Korb! Für 150 Euro. Come on!
Ich wünsch Euch ein phantastisches Wochenende!
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Als eine im Frankenland gestrandete Bremerin hätte ich nur allzu gern einen dieser Strandkörbe im Garten und würde keine Kosten scheuen, wenn eine Spedition sich (natürlich gegen entsprechende Gebühr) dieses „Strandguts“ annehmen und es gen Süden transportieren würde…
Danke für diesen schönen Bericht und dem linken Fuß weiterhin gute Besserung!
Wenn Du eine Spedition beauftragst, sag bescheid. Dann ordere ich gleich einen für uns mit, der auf dem Weg rausgeschmissen werden kann…
😉
Liebe Grüße, Sandra