1999 – das Jahr, in dem ich zum Studium nach Süddeutschland aufbrach.
2006 – das Jahr, in dem mein PR-Werdegang begann.
2008 – das Jahr, in dem ich Pressesprecherin wurde.
2010 – das Jahr, als ich eigenverantwortlich die Unternehmenskommunikation einer großen Organisation übernahm.
2013 – das Jahr, in dem ich mich selbständig machte.
2015 – das Jahr, in dem ich zusätzlich LOVEBREMEN gründete.
2016 – das Jahr, in dem ich Mama werde.
Was passt nicht in diese Reihe? Na? Naaa? Genau, die letzte Station – zumindest in einer Gesellschaft, in der eine Frau dann als erfolgreich gilt, wenn sie im Beruf gut vorankommt. In einer Gesellschaft, in der das nicht nur Dritte so definieren, sondern auch die Frauen selbst. In einer Gesellschaft, die aufpassen muss, Emanzipation nicht in Überforderung münden zu lassen.
Als Frau, die sich bislang sehr stark auf ihr Berufsleben konzentriert hat, laufe ich derzeit durchaus Gefahr, meine neue Aufgabe als etwas zu begreifen, das gemeinhin als „Karriereknick“ bezeichnet wird. Ich erlebe gerade am eigenen Leib, worüber ich schon diverse Artikel von Frauen gelesen habe: Wie schwer es ist, die Familiengründung mit dem Berufs-Ich zu versöhnen. Und wie verlockend es Selbständigen oft erscheint, den nervenaufreibenden Weg einzuschlagen, Job und Baby möglichst frühzeitig unter einen Hut bekommen. Man ist ja schließlich flexibel und so. Kann jederzeit und überall arbeiten. Und ist ja vom Typ her Powerfrau. Wäre doch gelacht, wenn man sich „nur“ wegen einers Kindes völlig aus dem Alltagstritt bringen ließe. Etcpp. So großartig ich den Ansatz einerseits finde, so traurig macht es mich gleichzeitig, was wir Selbständigen uns damit für Ballast aufbürden.
Manchmal ist es einfach der finanzielle Druck, der eine Frau schnell wieder zurück an den Schreibtisch treibt. Aber nicht viel seltener ist es auch der Druck, sich und anderen beweisen zu wollen, dass eine Familiengründung nicht das Ende eines selbstbestimmten Lebens ist und schon gar nicht das Ende einer beruflichen Weiterentwicklung – oder zumindest einer beruflichen Stabilität. Und ich kann das verstehen. Gut sogar. Aber dann denke ich nochmal eine Schlaufe weiter: Was bedeutet dieser Anspruch KONKRET? Eine enorme Doppelbelastung – vorausgesetzt man ist das Elternteil, das hauptsächlich die Betreuung übernimmt.
In unserem Fall ist das so, denn wir haben eine Situation, die ziemlich häufig vorkommt: festangestellter Mann mit gutem Verdienst und selbständige Frau mit ebenfalls recht guten, aber nicht nicht ganz so hohen und vor allem nicht mit Sicherheit einzukalkulierenden Einkünften. In solch einer Situation liegt es natürlich nahe, dass ich mich um die Betreuung kümmere. Aber es ist nicht allein das Geld. Was viel wichtiger ist:
Ich habe auch enorm Lust darauf.
Worauf ich allerdings keine Lust habe, ist, in den wenigen ruhigen Momenten, die ein Tag mit Baby bietet, noch Emails beantworte, konzeptionell etwas erarbeiten oder Texte verfassen zu müssen. Es gab das ein oder andere Projekt, das ich in abgespeckter Version in 2016 hätte weiterführen können. Aber mein Bauch hat darauf eine deutliche Antwort gegeben: Ich. Möchte. Das. Nicht. „Aber möchtest Du das, was Du bisher erreicht hast, dadurch gefährden? Deine Leidenschaft für deinen Beruf so verkümmern lassen?“ fragte sogleich eine Stimme, die vor allem von Leistungsdenken, Emanzipationsappellen und Angst beeinflusst ist.
Der Automatismus dieser Gegenfrage gefällt mir nicht. Kann es denn die Möglichkeit sein, dass wir eine Babypause automatisch mit dem Ende unseres beruflichen Erfolgs gleichsetzen? Oder mit dem Verrat an unseren Talenten? Kippt die Emanzipation da nicht irgendwie in eine falsche, schnell überfordernde Richtung?
Ich möchte nicht beides in diesem Jahr bewältigen: meine neue Mutter-Rolle und meinen bewährte Job-Rolle. Weil ich damit an meine Grenzen käme. Und ja, das hat sicher auch etwas mit meinem Anspruch an beides zu tun. Hinweise wie „Dann schraub Deinen Perfektionismus zurück“ helfen da allerdings nicht. Selbst wenn ich das könnte, bliebe vermutlich eine diffuse Form der Unzufriedenheit. Für mich fühlt es sich deutlich besser an, eine klare Pause einzulegen.
Bei all den hippen Portraits über erfolgreiche Mompreneurs und Artikeln über moderne Wege, mit denen Frauen Beruf und Familie besser vereinbaren können, laufen wir Gefahr, dass diese Frauen zum neuen Idealbild unserer Generation, zum extremen Gegenentwurf zum Heimchen am Herd der 50er Jahre werden. Teresa Buecker hat vor einiger Zeit einen Artikel geschrieben, in dem sie genau diese Verherrlichung der „working mum“ kritisch hinterfragt – und das, obwohl sie zu den Frauen gehört, die das neue Idealbild verkörpern. Sie schreibt sehr passend:
„Mütter, die Geld mit Erwerbsarbeit verdienen, sollten aber weder medial noch von ihrem sozialen Umfeld als die krassen Überfliegerinnen gesehen werden, die mehr Respekt als andere verdienen. Wir brauchen keinen neuen Muttermythos. Wir sind dabei, uns vom Ideal zu lösen, dass die perfekte Mutter rund um die Uhr für ihre Kinder da ist und Erfüllung dabei findet, Babybrei im Thermomix zu pürieren. Ein neues Ideal, das propagiert, dass die perfekte Mutter außerdem Managerin ist, um 4 Uhr morgens aufsteht, um den Brei zu kochen und abends für den Marathon trainiert, braucht niemand. (…) Ich persönlich würde allen Müttern wünschen, dass sie beim Zeitraum, nach dem sie wieder in den Job zurückwollen und zurückkönnen, ohne dass sie selbst daran Schaden nehmen, mehr Spielraum hätten. Wir müssen daher auch fragen: Welche Frauen haben überhaupt das Privileg, zu entscheiden, ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen oder nicht?“
Liebe Powerfrauen da draußen, lasst uns dafür sorgen, dass der vermeintliche Karriereknick als Privileg verstanden wird. Dass wir uns eine Pause vom Freiberuflertum gönnen können, ohne Angst zu bekommen, damit unsere Leidenschaft zu verraten. Dass wir stolz auf unsere Entscheidung sein können, eine Zeit lang nur für ein kleines Wesen da zu sein, das uns braucht – wenn wir es eben wollen und können.
Lasst uns dafür sorgen, dass Kinderbetreuung wirklich als das gesehen wird, was es ist: ein anstrengender Job. Solange wir nebenher noch tausend andere Dinge jonglieren, nimmt uns das nie jemand ab.
P.s. Bevor sich jemand angegriffen fühlt, nochmal auf den Punkt gebracht: Nein, ich habe nicht GRUNDSÄTZLICH etwas gegen Mompreneurs und working mums. Solange das aus echtem eigenem Antrieb geschieht und es den Frauen gut dabei geht, ziehe ich meinen Hut und finde das phantastisch. Ich habe aber etwas dagegen, dass dieser „Mutteralltag“ gesellschaftlicher Konsens wird.
Liebe Sandra,
ich finde deine Einstellung fabelhaft!
Mittlerweile bin ich nun schon fast ein Jahr mit unserem Kleinen zu Hause und bleibe es mindestens auch noch ein weiteres. Am Tag habe ich vielleicht zwei Stunden für mich (eine mittags und eine abends), in die teilweise auch noch der Haushalt gequetscht werden müssen, ich ziehe den Hut vor allen, die da noch ihren Beruf unterkriegen, ich möchte in der Zeit aber auch kreativ sein, Kaffee trinken, Nägel lackieren und auftanken. Und das darf auch sein, Mutter sein ist wundervoll, aber auch sehr anstrengend. Außerdem möchte ich mein Kind aufwachsen sehen, die Kleinigkeiten erleben und nicht von Termin zu Termin hetzen.
Und wenn man es sich erlauben kann (auch finanziell), wobei erlauben hier wohl nicht das richtige Wort ist, dann darf, soll und kann man sich frei nehmen und „nur“ Mutter sein!
Ich wünsche Euch ein schönes zweites Jahr zusammen!
Danke für den Beitrag. Als Freiberuflerin sind es genau diese Gedanken, die mir auch immer öfter durch den Kopf gehen, wenn ich an die nächsten Jahre denke!
Ja, ich höre das von vielen freiberuflichen Frauen um mich herum. Einige haben noch viel größere Schwierigkeiten zu bewältigen als wir „Schreibtischtäterinnen“, die letztlich zu jeder Zeit arbeiten könnten: Öffnungszeiten. Manch eine Selbständige führt ein Café, einen Friseursalon oder etwas anderes mit Laufkundschaft. Da kann man dann nicht die Tür öffnen, wann es gerade passt, sondern muss verlässliche Zeiten bieten. Auch nicht ohne.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ein Wiedereinstieg nach einer Pause auch für Freiberufler kein Problem ist. Wenn man gut in seinem Job ist, findet man immer neue Kunden, falls die alten sich entwöhnt haben. Und das tun sie ja auch nicht unbedingt 😉
Liebe Sandra,
Deinen Artikel empfinde ich als wirklich wichtig, offen und mutmachend. Ich möchte etwas dazu ergänzen. Ich habe meine Familienplanung (wenn man das denn überhaupt so benennen kann) eher früh und vor allem in einem ziemlichen Tempo „hinter mich gebracht“. 3 Kinder in vier Jahre. Ich bin jetzt 32, mein jüngstes Kind ist vier. Mein erstes Kind habe ich in der Examensphase meines Studiums bekommen. Ich habe studiert, habe eine Promotion angefangen. Und auf einmal kamen Kind 2 und 3. Kunsthistorikerin war auf einmal nichts mehr, was ich mir mit einer fünfköpfigen Familie hätte vorstellen können, einen Alternativplan hatte ich auch nicht. Und tatsächlich habe ich mich im Laufe der Jahre selbständig gemacht. Für mich ist das eine Erleichterung, denn ich habe TATSÄCHLICH das Gefühl, ich kann Familie und Beruf miteinander kombinieren. Aber hier kommt eben das große ABER: das, was mich an dieser ganzen Glorifizierung so stört, ist die Tatsache, dass es immer darum geht, eine Rolle, ein Bild oder auch einen Job möglichst perfekt zu erfüllen. Man IST nicht mehr Mutter, man übernimmt die MutterROLLE. Und darin sehe ich das eigentliche Problem (was aber über Einzelne weit hinaus geht und verschiedene Ursachen hat). Mutter wird man, sobald man ein Kind bekommt. Man ist damit nicht fertig. Man kann das nicht an- oder ausstellen, wie man es mit einem Job im Übrigen aber sehr wohl kann. Ich war nie der Typ, der gern zu Hause bleiben wollte, Fulltime-Mum und nichts anderes mehr (was ich in keiner Weise wertend meine!). Was ja nichts über die Liebe oder Hingabe zu meinen Kindern aussagt. Oder über die Fähigkeit, wie gut ich meine Job mache. Es sind doch die Mütter, die wirklich beeindrucken, die in sich ruhend genau an ihrem Platz sind: egal, ob und wie viel sie nebenbei arbeiten. Die genau wissen, was sie machen, wann sie aufhören müssen, was mehr Prioritäten hat. Diese Frauen sind für mich Vorbilder, denn sie nehmen keine Rollen ein, sondern SIND Mütter.
Danke noch einmal für Deine offenen Worte und alles Gute für Dich und eure Familie,
Carolin
Liebe Carolin, danke für deine ausführlichen Zeilen, die ich sehr spannend finde. Du hast recht: da ist eher eine Mutterrolle in meinem Kopf als eine… mhmmm, wie soll man es nennen… Identität, die vollkommen aus einem selbst herauskommt. Aber genau so sollte es wohl tatsächlich sein. Wie gesagt: spannender Hinweis – über den ich erstmal in Ruhe nachdenken muss.
Ein großartiger Post! Ich selbst bin noch nicht in die Verlegenheit gekommen mich da entscheiden zu müssen, aber ich finde es sehr wichtig, dass man keine Seite als die einzig richtige hinstellt und oder die andere Seite verteufelt.
Ausserdem hast du einen sehr guten Punkt angesprochen: sich als Mutter ein Jahr (oder länger) frei zu nehmen, ist nach wie vor für viele ein Privileg, manche haben gar nicht den Luxus sich zu entscheiden, weil das Einkommen gebraucht wird.
Danke für Dein Feedback. Ich glaube, ein Jahr lang kann man es meistens mit Elterngeld hinbekommen. Alles danach ist dann aber echt „Luxus“, das ist bei den meisten leider nicht drin.
Liebe Sandra,
Vielen Dank für diesen sehr klugen Kommentar. Ich bin deiner Ansicht, dass wir erst dann am Ziel sind, wenn Mütter frei entscheiden können, ob sie sich zuhause um die Familie kümmern oder weiter ihrem Beruf nachgehen wollen ohne zwischen Heimchen- und Rabenmutter-Image wählen zu müssen. Das sehe ich derzeit nicht. Übrigens geht diese Kritik nicht nur an Männer. Vor allem andere Frauen rümpfen schnell die Nase über Mütter, die anders entscheiden als sie selbst. Nicht mal wir gewähren uns die Freiheit der Wahl. Natürlich kann man sich dafür entscheiden, die Zeit zwischen beiden Aufgaben zu teilen. Das ist okay, aber unter den bisherigen tatsächlichen Rahmenbedingungen viel schwieriger zu verwirklichen als allgemein dargestellt. Nicht nur für Selbständige – vor allem auch für Angestellte mit festen Arbeitszeiten, Überstunden und hohen Ansprüchen an die eigene Leistung.
Die Doppelrolle darf kein Automatismus sein. Derzeit habe ich allerdings – ähnlich wie du – den Eindruck, dass die Leistung, beides möglichst perfekt unter einen Hut zu bringen, die einzige Variante ist, für die man als Frau Anerkennung bekommt. Es ist ein guter Anfang, wenn wir selbst endlich anfangen, bewusst zwischen allen Varianten zu entscheiden und anzuerkennen, dass andere Mütter anders entscheiden. Wenn wir nicht damit beginnen, werden es andere niemals tun.
Deshalb freu ich mich für dich, dass du dich für die baby“pause“ entschieden hast. Ein Urlaub wird es sicher nicht. Ich selbst habe mich entschieden, schnell weiterzuarbeiten. Weil ich nicht loslassen will von meinen beruflichen Babys. Ich erwarte, dass die Gesellschaft beide Entscheidungen anerkennt und die dabei geleistete Arbeit gleichsam als große Leistung anerkennt.
Ich kann nicht anders, als nach jedem Deiner Sätze kräftig zu nicken. Du hast es noch mal auf den Punkt gebracht, worum es mir in dem Artikel geht. Danke!
Genieße die Zeit! Es sagt doch niemand: hätte ich doch bloß mehr gearbeitet und mich weniger um mein(e) Kind(er) gekümmert. Meine 3 Kinder sind jetzt 20 und 17 und ich habe, als die Töchter 8 Monate alt waren, wieder (Teilzeit) gearbeitet. Ich brauchte das. Beim Sohn habe ich ein Jahr ausgesetzt, da fiel mir das Wiederanfangen schwerer und doch war das mein Weg – aber ich würde nie sagen, dass es der einzig richtige ist. Manchmal denke ich sogar, es wäre schön gewesen, diese Zeit mehr zu genießen, aber das war eben nicht ich und wir hatten zum Glück eine tolle Tagesmutter und haben eine echte Partnerschaft. Genieße die Zeit!!! Alles Gute Margot
Liebe Sandra, nachdem ich im letzten Jahr eine kleine Blogauszeit nehmen musste (mein Sohn kam in die Schule …), blogge ich nun wieder. Es haben sich neue Möglichkeiten für mich aufgetan und eigentlich wollte ich in Kontakt zu dir als Beraterin treten.
Nun lese ich von deinen wundervollen Plänen für 2016! Kinder zu bekommen und ihnen dabei zu helfen, zu glücklichen, selbstbewussten Menschen heranzuwachsen ist wahrscheinlich das größte Abenteuer im Leben!
Ich habe einen Sohn der jetzt bald 8 Jahre alt ist. Nach seiner Geburt war ich ein Jahr mit ihm zu Hause und dann ging es halbtags weiter. Finanziell wäre es gar nicht unbedingt nötig gewesen. Wir wären über die Runden gekommen. Aber ich habe nicht einmal daran gedacht, dass es diese Option für mich geben könnte. Ich war so sehr geprägt und konditioniert von meinem bisherigen Arbeitsleben, das es für mich undenkbar gewesen wäre, einfach nur Mutter zu sein und „faul“ zu Hause zu sitzen.
Das bedauere ich heute sehr.
Darum finde ich deine Entscheidung für mehr Zeit fürs Kind genau richtig. Neue berufliche Möglichkeiten und Herausforderungen werden sich immer wieder ergeben, gerade auch dann, wenn man eine Sache mit Begeisterung tut.
Dein Kind aber ist nur einmal klein. Genieße jeden Tag!
Ich wünsche dir von Herzen das Allerbeste, Kirstin.