Mama mit Mobiltelefon: Warum mein Smartphone zum Babyalltag dazu gehört

Letztens bei einem Spaziergang mit Kinderwagen durch Bremen: Vor einem Haus steht ein kleines Menschengrüppchen, eine Familie vermutlich, und starrt in meine Richtung. Fängt dann an, sich etwas zuzuraunen. Guckt wieder zu mir hinüber. Tuschelt noch einmal verstohlen. Ich stutze. Hä? Was ist denn mit mir? Ich überprüfe die Situation: Nein, keine Milchlache auf meiner Schulter. Brüste hatte ich nach dem Stillen auch wieder in die Bluse gepackt. Aus dem Kinderwagen kommt auch nicht anderes als Stille. Was haben die denn?

Ich schaue auf meine rechte Hand – sie hält das Smartphone, das nicht zum Telefonieren an meinem Ohr ruht, sondern in Sprechweite vor meinem Gesicht. Ich bin gerade dabei, einer Freundin via Whats App eine Sprachnachricht zukommen zu lassen. Die linke Hand schiebt währenddessen den Kinderwagen. Ich fange erneut die Blicke der Familie auf, an der ich inzwischen direkt vorbeilaufe. Und komme mir plötzlich vor, als würde ich statt des iPhones eine dick qualmende Zigarette mit mir umhertragen, deren Nikotinschwaden auf direktem Wege in die Wagen des Lütten ziehen!

Ich weiß natürlich nicht, was sich die Leute da vor der Haustür zugeflüstert haben. Vielleicht ging es gar nicht um mich, sondern um eine Nachbarin, die gerade hinter mir den Weg entlang ging. Oder es war der für viele nach wie vor ungewohnte Eindruck, dass Menschen auf offener Straße Snapchat- oder WhatsApp-nutzend  frontal in ihr Telefon sprechen. Dennoch: Ich fühlte mich ertappt. Als vermeintliche Rabenmutter, die vor den Augen ihres jungen Nachwuchs den modernen Medien frönt und damit den Grundstein für ein Youtube-abhängigen Jungen mit schmerzendem rechten Handy-Daumen legt.

Nun gut, der Lütte schlief zu diesem Zeitpunkt, aber es gibt auch Momente im Alltag, in denen er das nicht tut – und ich trotzdem das iPhone in der Hand habe. Um ihn zu fotografieren. Um eine E-Mail zu lesen. Um nach der Uhrzeit zu schauen. Ich erinnerte mich, ausgelöst durch die merkwürdigen Blicke der mir fremden Menschen, an meinen Vorsatz aus der Schwangerschaft, das Smartphone möglichst wenig dabei zu haben, wenn ich mit meinem Sohn zusammen bin. Die Realität sieht anders aus! In anderen Angelegenheiten übrigens auch. Den Einsatz eines Schnullers hatte ich auch kategorisch abgelehnt. Und nun ratet mal, wie der Lütte tagsüber innerhalb einer Minute einschläft statt sich eine halbe Stunde mit der scheinbar unüberwindbaren Schwelle zum Reich der Träume zu quälen? Richtig. Und deshalb gibt es jetzt auch im Hause Wortkonfetti Schnuller.

Meine Gründe für den Babyalltag mit Smartphone

Dennoch, ich hielt inne und überprüfte mich. Ist mir das Handy tatsächlich in einigen Situationen wichtiger als der Lütte? Lebe ich ihm etwas vor, was ich mir bei ihm ganz anders wünsche? Suche ich unnötige Zerstreuung statt die so wertvollen Jetzt-Momente einzusaugen, die mit einem Säugling wie im Fluge vergehen? Ich begann in meinem Kopf mit einer Liste, wann und warum ich das iPhone zur Hand nehme.

AUSTAUSCH MIT MAMA-FREUNDINNEN: Aller guten Dinge sind drei – in meinem Fall drei Freundinnen, die allesamt Mütter sind. Allerdings von Kindern ganz unterschiedlichen Alters: Katja hat wie ich einen Säugling, Katarinas Sohn ist bereits fast eineinhalb und Svenja hat ein Schulkind zuhause. Die drei sind stets mein WhatsApp-Anker, wenn mich Sorgen umtreiben, ich mich über was freuen kann oder einfach nur das neuste „Guuuuuuck mal, wie süüüüüß er jetzt schon das Köpfchen heben kann“-Video mit jemandem abfeiern möchte. Und das geht nunmal am besten via WhatsApp, denn den dreien geht es ja wie mir: Für eine ausführliche Mail oder ein Telefonat zur gleichen Zeit lässt der Alltag mit Kind einfach wenig Zeit. Aber auf diesen Austausch verzichten? Nein, das möchte ich wahrlich nicht.

FOTOS FÜR DEN REST DER FAMILIE: Niemand hat das Glück, so viel Zeit mit dem Lütten verbringen zu können wie ich. Ich bin es, die jede Veränderung sofort beobachten kann, das erste Lächeln am Tag bekommt und stundenlang in permanent über die Welt staunenden Augen schauen darf. Den Menschen, die dieses Glück nicht haben, allen voran mein Mann, die Bonuskinder und die Großeltern, schicke ich regelmäßig Fotos. Nicht einmal pro Stunde, aber alle paar Tage mal. Glückshäppchen sozusagen. Ich finde es phantastisch, dass Fotos diese virtuelle Teilhabe möglich machen. Und meine Eltern auch.

VERABREDUNGEN TREFFEN: Von Anfang an war mir enorm wichtig, nicht ständig nur zu Haus zu hocken, sondern auch mit Kind unterwegs zu sein. LOVEBREMEN-Termine zu machen, Freunde zu treffen, mit anderen Mädels Kinderwagen durch den Bürgerpark zu schieben oder Ähnliches. Und dann sind da ja auch noch die wichtigen Dinge wie Kinderarztbesuche, Ostheopatie für den Lütten, Rückbildung… Dank des Kalenders im iPhone sowie der schnellen Möglichkeit, über WhatsApp mit Freunden und Bekannten einen Termin zu finden, klappt es hervorragend, nicht nur daheim zu sitzen, sondern sich schon Anfang der Woche auf schöne Dinge für die kommenden Tage zu freuen. Wenn ich immer darauf warten würde, dass der Lütte tief und fest schläft, und dann erst umständlich zum Laptop und Festnetzanschluss laufen und von dort aus alles organisieren würde, fiele das Freizeitprogramm deutlich schlanker aus. Und ich würde mich deutlich gefangener fühlen.

PLAYLIST MIT SCHLAFLIEDERN: Bereits mitten in der Schwangerschaft habe ich damit begonnen, jeden Abend die gleiche Playlist bei Spotify anzuschalten. Und seit der Geburt des Lütten düdeln diese KLassik-Schlaflieder ebenfalls, wenn ich ihn ins Bett bringe. Aber nicht nur dabei entfalten sie tatsächlich eine beruhigende Wirkung -auch unterwegs, wenn der Lütte Schwierigkeiten beim Einschlafen im Kinderwagen hat, habe ich schon eine paar Mal die Playlist auf dem Handy aufgerufen und es dann in den Wagen gelegt. Das mache ich allerdings nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, ihn zu beruhigen. Beispielsweise wenn er im Restaurant plötzlich leicht wach wird, man allerdings merkt, dass er nach wie vor müde ist. Bevor er dann vor lauter Knötern richtig aufwacht, lege ich ihm die Musik zur Seite, halte kurz Händchen – und zack, schläft er wieder. In den meisten Fällen jedenfalls. Die Playlist, um die es dabei geht, ist übrigens diese: Entspannungslieder für Kinder

SOCIAL MEDIA: Dieser Punkt ist vermutlich der, über den ich am meisten mit mir streiten ließe. Ist es notwendig, durch Instagram und Facebook zu scrollen, während man eigentlich das schlafende Kind anhimmeln oder sich schon mal Gedanken über Betreuungsmöglichkeiten oder Erziehung machen bzw. etwas mehr von den ToDos im Haushalt erledigen könnte. Oder einfach mal nichts zu tun. Was nützt es, beim Spaziergehen in ein Snapchat-Fenster zu quasseln? Ich glaube, diese Frage ist eine, die man uns digitalen Damen ohnehin immer stellen darf und wird. Und auf die wir letztlich keine vollends überzeugend Antwort finde können. „Es macht einfach Spaß“, „Es dient der jobbedingten Vernetzung“, „Ich bin neugierig, was bei anderen zu passiert“… Sucht Euch eine Antwort aus. Oder gebt mir eine. Fakt ist: Der innere Antrieb, in die Sozialen Medien zu schauen und dort selbst auch aktiv zu sein ist nach wie vor vorhanden. Aber Fakt ist auch, dass ich dem ich in der Regel nur dann nachgebe, wenn der Lütte davon absolut nicht „betroffen“ ist. Wenn er schläft. Wenn er von jemandem anderen betreut wird. Wenn ich allein unterwegs bin. Oder er es aus anderen Gründen nicht mitbekommt.

Wortkonfetti-Blog-Bremen-Baby-Mamablog

Im Wesentlichen sind es diese vier Funktionen, die mein Handy im Babyalltag erfüllt. Und die eingehenden Fragen kann ich mit Blick auf diese Punkte wie folgt beantworten:

Ist mir das Handy tatsächlich in einigen Situationen wichtiger als der Lütte?

Klares ausdrückliches „nein“. Wenn ich beispielsweise stille und dabei mit einer Freundin via WhatsApp eine Verabredung treffe, dann unterbreche ich den Chat sobald der Lütte fertig ist oder unruhig wird. Die nächste Nachricht von mir an die Freundin kann dann durchaus erst viele Stunden später kommen. So wichtig, wie mir der Lütte ist, bin ich mir aber auch selbst wichtig . Die oben beschriebenen Punkte machen hoffentlich, dass der Smartphone-Draht zur Außenwelt auch meinem Wohlbefinden gut tun. Weil ich Austausch habe. Weil ich außer Haus unterwegs bin. Weil ich meine Mama-Freude teilen kann. Und wie sagt man so schön: Glückliche Mutter, glückliches Baby!

Lebe ich ihm etwas vor, was ich mir bei ihm ganz anders wünsche?

Ebenfalls nein. Ich halte gar nichts davon, ein Smartphone komplett außerhalb des Sichtbereichs eines Kindes zu halten. Die digitale Welt ist Teil unseres Alltags und wird es wohl auch bleiben. Es nützt überhaupt nichts, Kinder davon fern zu halten. Statt dessen muss man ihnen, wenn es dann soweit ist, Medienkompetenz mit auf den Weg geben. Und ihnen vermitteln, dass die digitale Welt nicht wichtiger ist als das real life.

Suche ich unnötige Zerstreuung statt die so wertvollen Jetzt-Momente einzusaugen, die mit einem Säugling wie im Fluge vergehen?

Zum dritten Mal: Nein. Ihr könnt Euch nämlich gar nicht vorstellen, wie viele Momente ich tagein, tagaus einsauge. Der Lütte und ich sind so viel in Kontakt, singen, lachen, knuddeln, scherzen… Allein das Zu-Bett-Bringen ist jeden Tag ein solch sinnstiftendes Ereignis. Ich glaube, ich habe noch in kein Handy so intensiv und bewusst geguckt wie in das Gesicht meines Kindes!

Wie seht Ihr das?

So, und nun Ring frei für Eure Widerworte, Eure Zustimmung und Eure Erfahrungswerte. Wie haltet Ihr das mit dem Handy in der Hand, wenn Euer Kind in der Nähe ist?

Danke an Daniela für die Fotos!

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

6 thoughts on “Mama mit Mobiltelefon: Warum mein Smartphone zum Babyalltag dazu gehört

  1. Ich glaub, auf so einen Artikel habe ich nur gewartet.. Mein Lütter ist noch nicht einmal geboren, hab noch gut 7 Wochen, und schon jetzt darf ich mir ständig anhören, dass ich „das dann aber einschränken muss, wenn das Kind da ist“. Das letzte Mal kam dieser Spruch übrigens auf dem Wochenmarkt, als ich auf meinem Smartphone auf einer Rememberliste schaute, was ich noch so brauche.. Schwangerschaftsdemenz.. Frau kennt das wahrscheinlich..

    Was mich ja am meisten immer wieder auf die Palme bringt: Irgendwie meint jeder das Recht zu haben eine Schwangere oder eine junge Mutter zu Maßregeln.. Woher nehmen die das?

  2. Liebe Sandra,

    interessante Gedanken, vor allem, weil es noch keine Smartphones gab als meine Kinder klein waren. Wie würde ich heute damit umgehen? Ich weiß es nicht… was die Medienkompetenz angeht, kann ich nur sagen dass ist leicht gesagt, aber schwer umzusetzen. Viele Eltern sind nämlich gar nicht affin und bekommen gar nichts mit was die Kinder so machen. Erst gestern bekam ich eine Geschichte erzählt, die ich hier nicht wieder geben kann, aber die mich sehr schockiert hat. Und die ich, obwohl fast auf jedem Kanal mit den Kids vernetzt, nicht mal im Ansatz mitbekommen habe. Hier sind auch die Schulen gefragt. Und in unserer schnelllebigen Zeit – wer weiß schon, wie und in welche Richtung sich das noch entwickeln wird? Auch wenn ich selber viel online bin – ich glaube trotzdem dass weniger besser ist als mehr! Liebe Grüße nach Bremen, Ricarda

  3. Ich finde, dass hört sich bei dir alles sehr normal an 😉
    Wenn ich Mütter sehe, die sich mit gelangweiltem Blick durch Facebook scrollen, wären ihr Kind mit großen Augen am Jackenzipfel hängt und nach Aufmerksamkeit bettelt, dann werfe ich denen auch mal einen bösen Blick zu. Gerade weil sie ihrem Kind häufig das Gefühl geben, dass das Handy wichtiger ist als das Kind selbst.
    Aber das Handy gehört eben auch zum Leben dazu und ich denke, dass viele es noch sehr viel intensiver nutzen als du es beschreibst. Wenn die Leute das nächste Mal tuscheln, einfach die Zunge rausstrecken 😉

  4. Danke für diesen Artikel! Ich hatte die gleichen Vorsätze und konnte mir doch auch nur schwer vorstellen wie ich das umsetzen sollte. Und in der Realität, sind wir mal ehrlich, brauchen wir Neumamis auch einfach mal Zerstreuung. Denn wir leisten richtig harte Arbeit und verzichten auf so vieles…Fersehen, laut Musik hören, Shopping Touren und es ist doch wundervoll wenigstens einen Teil durch dieses praktische kleine Wunderding machen zu können. Ich glaube ich hätte nach der Entbindung iwann die Sachen meines Mannes tragen müssen, wenn ich ich nicht zwischendurch mal Onlineshopping Tour gegangen wäre und auch mein Sohnemann hätte auf einige Dinge länger warten müssen. Also Mamis: Gönnt euch die paar Minuten Emails, WhatsApp sowieso, Shopping oder Social Media , wir haben es uns verdient!

  5. Hallo Sandra,

    Du schreibst mir aus der Seele. Die gleichen Gedanken hatte ich schon mehrere Male und wollte auch einen Blogbeitrag dazu verfassen 🙂 Jetzt bin ich erst recht motiviert und verlinke deinen Beitrag natürlich.

    Du hast so Recht, schöne Grüße aus Heidelberg,
    TheSimones

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