Kita-Anmeldungen 2017. Oder auch. Danke Bremen – für nichts.

Meine 12-monatige Elternzeit neigt sich dem Ende zu und ich würde die letzten Tage mit meinem Lütten gern in vollen Zügen genießen. Aber Bremen hat es geschafft, mir vor dem beruflichen Wiedereinstieg nochmal so richtig die Stimmung zu verhageln und schlaflose Nächte zu bescheren. Nicht nur mir, wohlgemerkt. Wo auch immer ich derzeit auf Eltern treffe, schaue ich in die gleichen besorgt-frustrierten Gesichter. Der Kalender verrät den Grund:

Es ist Januar. Es ist Anmeldezeit für die Krippen- und Kita-Plätze. Es ist ätzend!

Ich stecke wie so viele mittendrin in der Bremer Kita-Misere, die ich zuvor nur aus Schlagzeilen kannte. Und kann jetzt mit gutem Gewissen und aus eigener Erfahrung sagen: Bremen, Du bist in Sachen Kinderbetreuung echt auf dem Holzweg. Aber so richtig!

58 Prozent der Bremer Familien müssen seit Neuestem nichts mehr für einen Kita-Platz bezahlen. Absolut nichts. Klingt erst einmal super. Aber wenn man sich einmal anschaut, wie das ermöglicht wird, so wird deutlich, dass 42 Prozent der Familien dafür umso tiefer in die Tasche greifen müssen. Ich gehöre auch zu diesen 42 Prozent. In den vergangenen Kita-Jahren hätten wir monatlich bereits weit über 200 Euro für die sechsstündige Betreuung eines Kindes bezahlt. Das ist im bundesweiten Vergleich schon recht ordentlich. Jetzt haben sich rot-grüne Politiker-Köpfe jedoch überlegt, die Beiträge für „Besserverdienende“ mal eben um rund 80 Prozent anzuheben – um die Beitragsfreiheit für Geringverdiener zu ermöglichen. Für uns bedeutet das künftig 164 Euro mehr!

Mensch Bremen, Du bekommst doch bereits deutlich mehr Steuern vom Mittelstand als von den Geringverdienern – und dieses Geld ist für kommunale Daseinsversorgung gedacht. Jetzt führst Du dieses Prinzip noch zusätzlich bei einer Einzelleistung ein, die soviele Menschen betrifft? Ein Unding!

„Patchworkfamilie? Ach, da machen wir keinen Unterschied.“

Bemessungs-Grundlage für die Kita-Gebühren ist das Brutto-Einkommen der Eltern. Die Betonung liegt dabei auf brutto. Nicht etwa „zu versteuerndes Brutto“, nein. Einfach das, was auf der Einkommensseite steht, ungeachtet irgendwelcher Belastungen. Unsere Familie ist beispielsweise eine Patchwork-Familie, in der Unterhaltszahlungen eine nicht unerhebliche Ausgabe darstellen. Diese Ausgabe wird aber schlichtweg nicht berücksichtigt und wir werden genauso behandelt wie Familien, die diese Ausgaben nicht haben.

Die Einkommensstufen, die zu mehreren Hundert Euro Kita-Gebühr pro Monat verpflichten, sind vergleichsweise schnell erreicht, wenn beide Elternteile arbeiten gehen. Und genau das ist ja in den vielen Fällen überhaupt der Grund, warum ein Kita-Platz gesucht wird: Beide müssen wieder arbeiten gehen, weil das Geld sonst nicht reicht. Für den Hauskredit. Die Versicherungen. Das Straßenbahnticket. Die neuen Schuhe für das heranwachsende Kind. Die Telefonrechnung. Die Müllabfuhr. Den Zoobesuch. Den Einkauf von gesunden Lebensmitteln. Den Schwimmkurs. Den Besuch im Kino. Das Futter für den Goldhamster. Den Tannenbaum zu Weihnachten. Das aufblasbare Schwimmbecken im Garten. Kurz: Für das stinknormale Mittelstands-Leben ohne besonderen Luxus.

Da geht man also nach Ablauf des Elterngeldes (dessen Bearbeitung in Bremen derzeit inakzeptabel lange dauert) wieder arbeiten, um sich diesen Standard weiterhin leisten zu können – und wird dafür noch mit einer Kita-Erhöhung belohnt. Besten Dank auch. Als hätte man nach der Geburt eines Kindes nicht ohnehin schon eine etwas engere finanzielle Situation, weil sich das Einkommen einer Familie dann eher verringert als vergrößert. Denn – Achtung, liebe Politiker, bahnbrechende Information – man bekommt in der Regel kein Kind, um es nur abends ins Bett zu bringen. Einer der Elternteile (leider meist nur einer) reduziert Stunden, was Auswirkungen auf das Einkommen hat. Es gibt einen zu versorgenden Menschen mehr im Haushalt, aber weniger Kröten auf dem Konto. In solch einer Situation zu erwarten, dass mehrere hunderte Euro für die Betreuung eines Kindes bezahlt werden, ist echter Hohn.

Noch viel absurder fühlt es sich an, in extremer Höhe zur Kasse gebeten zu werden für eine Leistung, die trotz dieser hohen Beträge nicht flächendeckend in angemessener Qualität und nicht garantiert zur Verfügung steht. Ich kriege also vielleicht einen Platz, zahle ordentlich Asche dafür, muss dann aber trotzdem andere Eltern trösten, die keinen Platz bekommen haben und total verzweifelt überlegen, wie sie die nächsten Monate zwischen Fixkosten und Arbeitgeber eine Lösung herbeizaubern können. Oder die wahnsinnig darunter leiden, dass sie zwar einen Platz bekommen haben, diese Einrichtung aber kaum Außenfläche, dafür in die Jahre gekommene Toiletten, schimmelige Außenfassaden und/ oder riesige Gruppengrößen untergebracht in Containern hat. Wenn ich so viel Geld für ein System berappen muss, dann erwarte ich, dass das System funktioniert. Schlagzeilen über 1.701 unversorgte Kinder möchte ich hingegen nicht im Weser Kurier lesen.

Es ist nicht nur ein finanzielles Problem. Es beeinflusst unsere Gesellschaft!

Solche Schlagzeilen haben nämlich verheerende Folgen. Sie sorgen dafür, dass das für die Gesellschaft notwendige und für jeden einzelnen meist wunderschöne Erlebnis der Familiengründung noch negativer konnotiert ist als ohnehin schon. In Deutschland hat Frau beispielsweise meist Angst davor, ihrem Arbeitgeber von einer Schwangerschaft zu berichten. Man hat schnell das Gefühl, sich dafür entschuldigen zu müssen, dass man eine gewisse Zeit lang fehlen wird und hinterher nicht mehr unbedingt in vollem Umfang in seinen Job zurückkehrt. Und sich vermutlich zwei-, dreimal mehr im Jahr krankmelden muss, weil sich ein fiebriges Kleinkind zuhause nun mal nicht allein versorgen kann. Diese Situation ist schon schlimm genug. Wenn Arbeitgeber und Personalchefs in Bremen nun aber sogar noch damit konfrontiert werden, dass ihre MitarbeiterInnen vielleicht länger zuhause bleiben müssen als ursprünglich geplant, weil sie keinen Betreuungsplatz bekommen, so verschärft sie sich nochmal zusätzlich. „Die Bewerberin ist um die 30 und noch kinderlos? Oje, nee, die können wir nicht einstellen. Die wird schwanger und ist uns dann jahrelang keine Hilfe mehr.“ Wer hat bei solch einem kinderunfreundlichen Klima Lust, eine Familie zu gründen oder mehr als ein Kind zu bekommen?

Last but not least sind alle Themen rund ums eigene Kind eine äußerst emotionale Angelegenheit. Es geht eben nicht um die Wahl eines verkehrsgünstigsten Sportstudios oder eines besonders leistungsstarken Handyvertrags. Es geht um das eigene Kind, für das man eine liebevolle Betreuung im eigenen Stadtteil oder auf dem Weg zur Arbeit sucht. Damit man seinem Kind – gerade bei fehlenden Geschwistern – das soziale Miteinander mit anderen Kindern ermöglich kann und selbst wieder die Erwartungen unserer Leistungsgesellschaft erfüllt. Ein Kind, das gerade mal ein bis zwei Jahre alt ist, abzugeben, fällt schwer. Das höre ich von vielen Eltern und erlebe es selbst gerade auch: Es macht nicht unbedingt großen Spaß, sich mit dieser Trennung zu beschäftigen. Aber wat mutt, dat mutt. Wie wunderbar wäre es, wenn man sich in dieser Phase nicht noch Sorgen darum machen müsste, ob es überhaupt mit einer Betreuung klappt und wenn ja, ob es eine zeitgemäße Einrichtung wird, die idealerweise zum eigenen Alltag und Charakter des Kindes passt. Doch nein, Bremen macht es uns Eltern nicht so leicht, ganz im Gegenteil.

Das Schlimmste an allem ist aber eigentlich, dass ich schon so viele erklärende Worte in diesen Artikel geschrieben habe. Dass man sich überhaupt rechtfertig, warum man als Eltern über die aktuelle Situation in Bremen unglücklich ist. Warum man so hohe Beträge nicht ohne Murren bezahlen möchte oder auch kann. Familienwohl und Geld dürfen einfach nicht in Zusammenhang stehen. Es kann einfach nicht sein, dass engagierte, die Gesellschaft stützende Menschen ihre Ausgaben auf den Kopf stellen, Kosten hin- und herschieben, mit dem Partner bis ins Kleinste „Wer zahlt was?“ ausklamüsern und sich die Haare raufen müssen, weil sie hunderte Euro für etwas bezahlen müssen, was in anderen Bundesländern günstiger oder gar kostenfrei ist. Es darf nicht sein, dass schlechte Rahmebedingungen in Bremen dazu führen, dass sich Unternehmen Sorgen darum machen müssen, ob sie Fachkräfte überhaupt noch in die Hansestadt locken können. Es ist ein Skandal, dass in einer Gesellschaft, in der Kinder häufig mehr als Belastung denn als Glück angesehen werden, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch zusätzlich erschwert werden.

Kinder sind unsere Zukunft, tönt es stets von den Regierungssitzen. In Bremen müssen es allerdings Eltern mit starken Nerven und sparsamer Haushaltskasse sein, die für diese Zukunft Sorge tragen.

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

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