Girlboss Monday mal anders. Oder auch: Gute Entscheidungen in 5 Jahren Selbständigkeit.

Hätte Facebook mich nicht daran erinnert, ich hätte es überhaupt nicht mitbekommen. Aber dank des digitalen Reminders konnte ich dann doch noch still und heimlich ein kleines Jubiläum feiern: Seit dem 1. März bin ich bereits fünf Jahre selbständig. Konfettiregen und Sektdusche gab es nicht (dafür hat mich der Facebook-Beitrag tatsächlich zu sehr überrascht), aber ich hab mir dann doch ein bisschen stolz auf die Schultern geklopft. Und mich gefragt, was in diesen fünf Jahren gute Entscheidungen waren, die mich unternehmerisch vorangebracht haben.

Fünf gute Entscheidungen in fünf Jahren Selbständigkeit

Einige Dinge, die heute für mein Unternehmer-Ich selbstverständlich sind, waren es vor fünf Jahren nicht unbedingt. Da ich zu dieser Zeit immer neugierig die Erfahrungen und Ratschläge routinierter Selbständiger aufgesaugt habe, teile ich heute mal meine wichtigsten Erkenntnisse aus den vergangenen fünf Jahren. Wie immer gilt: Meine Erfahrungen sind individuell und stammen aus der PR-Branche. Anderer Typ Mensch, andere Branche – andere Erkenntnisse. Is klar, oder?

1. Freie kreative Projekte statt Smalltalk beim Sektempfang

Akquise – ein Wort, das viele Gründerinnen und Gründer verunsichert.  In meiner Branche bedeutet es zwar nicht zwangsläufig, dass man den Hörer in die Hand nehmen und Fremde am Telefon davon überzeugten muss, dass sie gaaaanz dringend eine bestimmte Dienstleistung brauchen, aber es bedeutet meist, sich auf möglichst vielen einschlägigen Abendveranstaltungen, Konferenzen, Netzwerktreffen und After-Work-Dinner sehen zu lassen.

Ob ihr es mir glauben mögt oder nicht: Smalltalk an Stehtischen oder pfiffige Pointen in Gruppengesprächen sind so gar nicht meins. Wenn unausgesprochen klar ist, dass ein Event  dem Zweck dient, Eigenwerbung für sich zu machen  oder dafür zu sorgen, dass man auf möglichst vielen Bildern zu sehen ist – dann versagt das Sandrasche Sprachtalent und durch meinen Kopf schießt immer nur ein Gedanke: „Wir wissen doch alle, warum wir hier sind: Fürs Sehen und Gesehen werden.“Versteht mich nicht falsch: Ich habe überhaupt nichts gegen solche Veranstaltungen und nichts gegen die Menschen, die dort zur Höchstform auflaufen. Es ist einfach so, dass ich mich dort nie richtig wohl fühle.

Wie bin ich also an Aufträge gekommen? Indem ich einfach das gemacht und gezeigt habe, wofür mein Herz schlägt und was ich kreativ auf die Beine stellen kann. Ob Bloggen mit Herz, Blogger-Workshops, ein Fach-Blog oder LOVEBREMEN – diese und andere freie Projekte, in die ich ein bißchen Geld und ganz viel Zeit und Energie gesteckt habe, sie waren meine Spielwiese, auf denen ich dazulernen und ausprobieren konnte. Und sie machten digital sichtbar,  wie ich arbeite. Das führte zwangsläufig dazu, dass auch Menschen darauf aufmerksam wurden, die sich ähnliche Projekte, Events oder Texte für ihr Unternehmen wünschen.

All diese Projekte, sie waren überhaupt nicht als Akquisemittel gedacht, haben sich aber zu solchen entwickelt. Schaue ich mich in meinem direkten Umfeld um, so fallen mir sofort viele Freelancer und Gründer an, bei denen es genauso gelaufen ist. Sie haben sich selbständig gemacht, nebenher noch freie Projekte gestartet, die ihnen persönlich wahnsinnig Freude gemacht haben – und durch die sie ein gutes Netzwerk aufgebaut und Kunden angezogen haben. Mein persönlicher Tipp würde daher immer lauten: Stellt die Sektgläser weg und bringt auf eigene Kappe das „Produkt“ auf den Markt, für das Ihr mal bezahlt werden wollt.

2. Externes Büro statt Homeoffice

Äh ja, das da bin auch ich. Das war die frische Vor-Kind-Optik.

Am Anfang meiner selbständigen Arbeit habe ich einige Monate von Zuhause gearbeitet. Zu dieser Zeit konnte ich mir einfach noch nicht vorstellen, dass ich es mir irgendwann mal leisten könnte, in ein externes Büro zu ziehen. Ich hatte überhaupt keine Einschätzung, wie sich meine Einkünfte entwickeln würden und dementsprechend war jede Ausgabe für mich ein Wagnis. Von Zuhause zu arbeiten war somit naheliegend. Und es hatte unübersehbare Vorteile – allerdings vorrangig für unseren Haushalt: die Geschirrspülmaschine war immer ausgeräumt und die Betten stets frisch bezogen. Mein Prokrastinieren versteckte sich hinter Hausfrauen-Tätigkeiten, die man ja „mal eben machen kann.“

Nach ungefähr einem halben Jahr streckte ich die Fühler nach einem externen Büro aus und es war die beste Entscheidung überhaupt. Vor allem, weil ich fernab von zuhause viel fokussierter und damit effizienter arbeite. Das hat schon früher, in der Examenszeit an der Uni perfekt geklappt: gelernt habe ich immer in der Bibliothek. Der Schreibtisch zuhause blieb weitestgehend frei von Prüfungsstoff. Die Trennung von Job- und Privatleben ist heute ebenso wohltuend.

Außerdem tut mir der Weg zur Arbeit und zurück nach Hause, den ich sooft wie möglich mit dem Rad erledige, unglaublich gut. Last, but not least sind mir meine BürokollegInnen  wichtig. Den regelmäßige Austausch mit Menschen, die in verwandten Branchen unterwegs und außerdem hundssympathisch sind, möchte ich nicht missen. Diese Menschen waren auch der Grund dafür, dass ich nach der Geburt des Lütten weiterhin am externen Büro festgehalten habe. Denn Hand aufs Herz: Der Zeitverlust pro Tag für die Wege zur Arbeit und zurück beträgt bei mir eine Stunde. In Anbetracht dessen, dass ich insgesamt nur ca. 6 Stunden Arbeitszeit zur Verfügung habe, ist das nicht unerheblich. Aber es ist es mir wert.

Mein Tipp: Wenn Ihr merkt, dass Ihr zuhause zum Prokrastinieren neigt, investiert ein paar Euros in ein externes Büro. Das Geld habt Ihr schnell wieder raus, wenn Ihr effizienter arbeitet.

 3. Karmakonto statt Konkurrenzgedanken

Eine zentrale Erkenntnis aus den letzten fünf Jahren ist so plump wie wahr: Es ist genug Arbeit für alle da. Auch in Bremen gibt es eine Reihe an selbständiger PR´lern. Aber das bedeutet nicht, dass man die Ellenbogen ausfahren und um jeden Auftrag kämpfen muss. Jeder hat einen anderen Schwerpunkt. Und selbst wenn Schwerpunkte gleich sind, unterscheiden sich die Menschen voneinander. Während der eine hervorragend zu einem Kunden passt, der leidenschaftliches Rotary-Mitglied ist, ist der andere der ideale Dienstleister für ein nachhaltiges Start-Up.

Konkurrenzgedanken sind daher vollkommen überflüssig und verpesten nur den eigenen Kopf. Was viel schöner ist: zusammenarbeiten. Ihr werdet immer mal in die Situation kommen, dass Ihr einen Auftrag nicht machen könnt oder wollt. Wie schön ist es dann fürs eigene Gefühl aber vor allem den anfragenden Kunden in spe, wenn Ihr einen Branchen-Kollegen ins Spiel bringt. Den Auftrag weiterleitet. Ich habe das immer mal wieder gemacht und dennoch nicht den Eindruck, dass bei mir plötzlich niemand mehr anruft. Statt dessen passieren mir schöne Dinge wie gerade erst in der letzten Woche: Im Jackie Su läuft mir Andreas über den Weg und wir beschließen, gemeinsam zu essen. Die Rechnung ging dann überraschenderweise komplett auf ihn: „Du hast mir doch mal nen Votrag an der Uni Verden vermittelt. Da bin ich jetzt regelmäßig im Einsatz. Da kann ich Dich als Dankeschön doch auch mal zum Essen einladen.“

Ein guter Kontakt zu Branchenkollegen ist aber auch super, wenn Ihr mal krank werdet oder Euch ein Auftrag über den Kopf wächst. Dann könnt Ihr zeitweise Teile Eurer Arbeit an jemanden anderen abgeben oder vielleicht sogar von Anfang an zusammen an einem großen Projekt arbeiten. Außerdem bekommt man viele Fachinfos und spannende Neuigkeiten mit, wenn man sich mit den Kollegen austauscht.  Mein Tipp: Füllt Euer Karmakonto mit kollegialem Verhalten auf und streicht das Wort „Konkurrenz“ aus Eurem unternehmerischen Wortschatz. 

4. Blöde Aufträge absagen statt alles annehmen

Okay, eigentlich ist das der allerwichtigste Tipp, so dass er an erster Stelle stehen müsste. Aber es ist auch der, der am schwersten zu beherzigen ist, daher lasse ich ihn vielleicht hier und wiege Euch mit den ersten drei Punkten noch in Sicherheit, was schmerzhafte Entscheidungen anbetrifft. Denn das, was ich Euch jetzt rate, wird Euch gerade am Anfang sehr große Bauchschmerzen bereiten: Nehmt nicht jeden Auftrag an, nur damit ihr überhaupt einen habt. Als Gründer ist man schnell bereit, für einen unangemessenen Stundenlohn zu arbeiten. Man tröstet sich mit den Worten „Ich mach das ja erst einmal, um Referenzen zu sammeln“ oder „Als Einsteiger kann ich ja noch gar keine hohen Stundensätze nehmen“. Irrtum! Gerade als Einsteiger müsst Ihr angemessene Stundenlöhne nehmen: weil Ihr eben noch nicht ausreichend viele Aufträge habt, weil Ihr bei einer längefristigen Zusammenarbeit ggf. nicht mehr von diesem Stundenlohn wegkommt und: weil Ihr es wert seit.

Für den Erfolg als Unternehmer ist Wertschätzung für das eigene Können und das eigene Tun eine zwingende Voraussetzung. Wenn Ihr meint, nicht viel wert zu sein, wer soll denn dann der Meinung sein? Ich weiß – aus eigener Erfahrung – dass das am Anfang enorm schwer fällt. Und auch heute noch muss ich mich immer mal wieder ermahnen. Aber wisst Ihr, was einer der besten Momente in meiner Selbständigkeit war? Der Moment, in dem ich einen laufenden Auftrag beendet habe. Da ging es nicht um schlechte Bezahlung, sondern darum, wie sich der Kunde mir gegenüber verhalten hat. Unzuverlässg, unhöflich, beratungsresistent. Ich habe auf einen großen Batzen Geld verzichtet, aber es tat dennoch gut,  Grenzen zu zeigen. Das hat mich stärker gemacht. Und es hat zeitliche Kapazitäten freiwerden lassen, die mit schöneren Aufträgen gefüllt werde konnten. Und auch wenn nichts anderes dafür gekommen wäre, hätte ich Erholungszeit gehabt statt mich mit Menschen und Situationen zu umgeben, die belastend waren.

Also: Wenn Euer Bauchgefühl deutlich anzeigt, dass ein Auftrag nicht zu Euch passt, oder der Kunde Euch extrem im Preis drücken will, dann lasst die Finger davon. Auch wenn es schwerfällt, was ich total verstehen kann.

5. Startet mit einem finanziellen Polster

Okay, das ist ein Tipp, den man nicht unbedingt immer realisieren kann – daher gibts als Entschädigung gleich noch einen spontanen sechsten obendrauf. Aber dennoch will ich ihn loswerden, auch wenn er keinen Überraschungsmoment mit sich bringt: Legt Euch ein finanzielles Polster auf Euer Geschäftskonto, denn dann schlaft Ihr immer gut und braucht Euch nicht vor Briefen vom Finanzamt fürchten. Einkommensteuervorausszahlungen, Umsatzsteuerfälligkeiten.. je nachdem, wie ein Quartal oder ein zurückliegendes Geschäftsjahr aussah, können da schon mal beträchtliche Summen zusammenkommen, die man ad hoc überweisen muss.  Da der Geldeingang bei Selbständigen selten regelmäßig, sondern häufig projektabschluss-bezogen ist, kann es sein, dass Ihr zwar recht viel gearbeitet habt, das aktuell auststehende Honorar aber noch fehlt – und parallel 3.000 Euro vom Finanzant eingefordert werden.

Wenn man kein Polster hat, entsteht  finanzielle Verunsicherung und das führt wiederum dazu, dass Ihr eher mal einen doofen Auftrag annehmt statt Eurem Bauchgefühl zu folgen. Vielleicht habt Ihr ja die Möglichkeit, vor dem Gründen zu sparen? Oder Eure Oma spendiert Euch eine Fianzspritze? Oder Ihr macht mal acht Wochen einen stupiden gutbezahlten Fließbandjob? Fakt ist: Mein finanzielles Polster, mit dem ich vor fünf Jahren gestartet bin, war eine gute Sache.

6. Unterscheidet streng zwischen Angebot und Konzept

Aus der Rubrik „Man muss es einmal schmerzvoll erleben, dann passiert es nie wieder“ kommt meine letzte Erkenntnis: Man muss gut aufpassen, dass potentielle Kunden einem nicht die kreative Kompetenz abluxen. Es kann nämlich schnell passieren, dass ein  Kennenlerngespräch mit folgenden Dialog endet:

„Am besten Sie schreiben mir mal ein Angebot.“

„Okay. Welcher der Ideen aus dem Gespräch / welche angedachten Maßnahmen sollen es denn genau sein?“

„Da sind Sie die Experten. Schlagen sie doch mal einen Maßnahmenkatalog vor und versehen sie die Positionen mit den entsprechenden Honoraren.“

„Okay.“

NEIN! Nicht okay! Denn was dann passiert ist folgendes: Ihr schreibt ein Angebot, dass eigentlich ein Konzept ist. Ihr sitzt mindestens einen Tag da, beschäftigt Euch mit dem Unternehmen/ Produkt, überlegt Euch eine Strategie sowie Ziele und leitet daraus für den Kunden passenden Maßnahmen ab. Das Ganze geht dann mit Tagessätzen o.Ä. versehen an den Kunden – und der meldet sich im schlimmsten Fall nie wieder. Hat aber Eure Kompetenz ausgequetscht wie eine Zitrone.

Mir ist das einmal mit einer großen Marke passiert und es hatte einen riesigen Lerneffekt. Der sich noch einmal verstärkte, als mich ein halbes Jahr später eine Auszubildende aus dem Unternehmen anschrieb und eine Nachfrage zu einer Maßnahme hatte, die ich mal beschrieben hätte. Ob ich ihr dazu nochmal etwas erklärend sagen könnte? Nee, konnte ich nicht. Ich konnte aber eine sehr deutliche Mail an ihren Vorgesetzten, mit dem ich im Rahmen des Angebotes zu tun hatte, schreiben. Auch darauf gab es keine Antwort.

Ja, da hab ich wirklich einmal nen echt fetten Anfängerfehler gemacht: Wissen unbezahlt verteilt. Aber das Gute daran: es passiert einem wirklich kein zweites Mal. Inzwischen läuft der obige Dialog nämlich etwas anders:

„Am besten Sie schreiben mir mal ein Angebot.“

„Okay. Welcher der Ideen aus dem Gespräch / welche angedachten Maßnahmen sollen es denn genau sein?“

„Da sind Sie die Experten. Schlagen sie doch mal einen Maßnahmenkatalog vor und versehen sie die Positionen mit den entsprechenden Honoraren.“

„Gut, dann schlage ich vor, dass ich Ihnen nachher ersteinmal ein  Angebot für ein PR-Konzept zukommen lassen. Alternativ können Sie auf Grundlage des ehutigen Gespräches ja mit ihrem Team mal beraten, in welche Richtung die Maßnahmen gehen sollen, und mir ein Briefing schicken. Was würden Sie favorisieren?

Puh, das war ein langes Wort zum Montag, was? Aber ich bin und bleibe einfach Fan davon, Erfahrungen zu teilen. Und Fangirl von Euch werde ich, wenn Ihr Eure Fragen oder eigene Erkenntnisse va Kommentar loslasst. Geballte workingmum-Power zum Wochenstart sozusagen. Girlboss-Monday mal anders! Weil roter Lippenstift gut ist, unternehmerisches Gespür aber länger hält. Selbst wenn der Lippenstift – wie bei mir heute – dieser von MAC ist.

Fotos: Jonas Ginter/ 2015

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

2 thoughts on “Girlboss Monday mal anders. Oder auch: Gute Entscheidungen in 5 Jahren Selbständigkeit.

  1. super lieben Dank Sandra für diesen WERTvollen Artikel. Du sprichst mir in vielerlei Hinsicht aus dem Herzen. Danke für Deine Zeit und dass Du uns mit Deinen Erfahrungen und Worten an Deinem Leben/ Erfahrungen teilhaben lässt, ist auch nicht selbstverständlich. 🙂

    KARMApunkte sammeln. Perfekt! unterschreibe ich 🙂

    Herzensgrüße an Dich und viel Erfolg weiterhin bei Deinem großartigen TUN. Deine Bettina Greschner

    1. Danke für die lieben Worte, Bettina. Ich teile unglaublich gern Erfahrungen, weil ich umgekehrt auch immer dazulerne, wenn ich etwas von anderen höre. Ich mag solch einen Austausch enorm. Schön, dass es DIr genauso geht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert