Wenn Vernunft über Eitelkeit siegt, tja, dann bist Du vermutlich Mama geworden. Nicht genug damit, dass ich inzwischen vorwiegend spielplatztauglich auf flachen Sohlen und in „Nicht so schlimm, wenn es dreckig wird“-Klamotten unterwegs bin, nein, nun habe ich auch das letzte Fünkchen Fashion-Würde abgegeben: Ich trage seit einiger Zeit Fahrradhelm. Aber wisst ihr was? Das fühlt sich richtig an. So richtig, dass ich es Euch auch ans Herz legen möchte.
Fahrradhelme fand ich immer albern (es sei denn, sie wurden von Rennradfahrern oder Kleinkindern getragen). Nicht vom innewohnende Zwecke her – bei einem Unfall einen heilen Kopf zu behalten ist natürlich alles andere als albern – , sondern rein optisch. Wenn Büroangestellte auf ihrem Weg zur Arbeit ihren in die Jahre gekommenen Hosenanzug mit einem sportiv windschnittigen Kopfschutz paarten, wenn Rentner in beigen Windjacken mit 3 Kmh Fahrgeschwindigkeit auf menschenleere Radwanderwegen hochmoderne Helme zu Schau radelten, kam mir das immer lächerlich vor. Unterschwellig. Denn vordergründig weiß ich natürlich, wie wichtig so ein Helm sein kann, aber dennoch… ICH mit Helm? Das kam nie in Frage, obwohl ich sehr sehr viel mit dem Rad unterwegs bin. Und in der Regel eher rasant und risikobereit als gemächlich und vorsichtig.
Fahrradhelm ? Für Eltern ein Must have
Doch dann gab es da vor gut zwei Jahren ein Kaffeetrinken bei einer Bekannten. Sie hat drei Kinder – und trägt Helm. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir auf das Thema kamen, auf jeden Fall schilderte sie mir, warum sie sich dafür entschied: „Ich habe eine Doku im Fernsehen gesehen, in der eine Statistik zu Komapatienten zitiert wurde. Sie gibt Auskunft darüber, dass viele Menschen nach einem Radunfall mit schweren Kopfverletzungen ins Koma fallen. Und weißt Du was, Sandra, das will ich meinen Kindern nicht antun. Die sollen niemals am Bett ihrer Mutter sitzen und nicht wissen, ob sie wieder aufwacht.“
Dieser Gesprächsfetzen hallte lange in mir nach. Wie belastbar die Statistik tatsächlich ist, hab ich niemals überprüft. Aber darum geht´s auch gar nicht. Tatsache ist: So etwas kann nicht nur passieren – so etwas passiert. Gerade erst berichtete mir eine Instagram-Followerin genau das: ihr Vater liegt mit Kopfverletzung im Koma. Tatsache ist aber auch: Es gibt eine Möglichkeit, das zu vermeiden. Und die heißt Helm.
Und dann ist da ja noch die Sache mit der Vorbildsfunktion. Natürlich will ich, dass der Lütte mit Helm im Straßenverkehr unterwegs ist. Aber mit welchem Recht bin ich es dann nicht? Klar, ich kann mit einem Todschlagargument kontern: „Ich bin schon groß und deutlich sicherer im Verkehr unterwegs.“ Man muss kein Pädagoge sein, um das als ganz schön doofe Antwort zu enttarnen.
Weg mit der Doppelmoral
Überhaupt finde ich die Doppelmoral von uns Erwachsenen oft ganz schön schräg:
- tagsüber zum Kind: „Nee, den Schokoosterhasen nicht ganz essen. Davon bewahren wir noch etwas auf. Nur ein bißchen Schokolade und nicht jeden Tag.“
- abends auf der Couch: Mama atmet eine Tüte Chips in Sekunden weg
Oder auch:
- abends zum Kind: „Nee, die DVD mit der Maulwurfserie die gucken wir nicht. Nur am Wochenende. Fernsehen ist abends auch gar nicht gut.“
- Zwei Stunden später: Mama zieht sich müde in der Mediathek Quatschkram rein statt ins Bett zu gehen
Aber mal im Ernst: Wir setzen unserem Kind einen Helm auf – aus Angst, das ihm etwas zustößt. Sollten wir nicht genauso Angst davor haben, dass uns etwas zustößt? Denn das würde unseren Kindern ebenfalls Schmerzen bereiten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich trage nun also Helm. Der Lütte natürlich auch. Beide sind von Nutcase, denn die haben wirklich schnieke Modelle, die nicht so spießig daherkommen. Als ich vor gut einem dreiviertel Jahr das erste Mal mit Helm losradelte, fühlte sich für einen kurzen Moment peinlich an. Aber schon schnell wich diese Peinlichkeit einem ganz hervorragendem Gefühl: Dem Gefühl, das Wichtigste meines Körpers, seine Schaltzentrale, zu schützen. Und damit Sorge zu tragen, dass ich meine Familie noch lange erhalten bleibe.
P.s. Nutcase-Helme bekommt ihr in Bremen übrigens bei BOC und bei Stadler.
Hey Sandra,
willkommen im Club, ich trage auch seit einem knappen Jahr Helm. Man gewöhnt sich echt schnell dran, oder? Ich kann mich noch gut dran erinnern, wie sich der Helm bei den ersten Fahrten wie ein Fremdkörper angefühlt hat…
Vor dem Kauf hatte ich eine kurze Mail-Unterhaltung mit einem Menschen vom ADFC, und der hat erzählt, dass sich der ADFC überraschenderweise gegen eine Helmpflicht in Deutschland ist – stattdessen solle mehr für die Sicherheit von Radfahrern im Straßenverkehr getan werden. Den Ansatz finde ich echt spannend! Aber das hilft mir natürlich auch nicht, wenn ich vom Auto angefahren werde. Also: Lieber Helm tragen.
Beste Grüße!
Genau, ein Helm hilft halt nicht gegen alles und eine bessere Infrastruktur würde viele Unfälle von vorneherein verhindern!
Eine Helmpflicht führt außerdem dazu, dass sich Leute wirklich überlegen, kein Fahrrad mehr zu fahren (ist so in Australien? passiert).
Diese Sicherheitsdiskussion konzentriert sich manchmal zu stark auf den (wichtigen) Helm, und die anderen Punkte gehen dann leider unter. Ein Helm hilft ja leider nur bei Kopfverletzungen, ich bin letztens angefahren worden, nicht schlimm, aber tatsächlich hätte mir ein Helm nur sehr wenig bis gar nicht geholfen.
Ja, dazu habe ich auch mal einen langen Artikel (in der SZ glaub ich) gelesen. War auch erst überrascht, dass sie gegen die Pflicht sind, fand die Argumente aber schlüssig.
Hey Sandra, mir ging/geht es exakt wie dir. Aber wegen meiner Tochter stehe ich nun auch über meiner Frisur.
Mein Mann trägt schon seit ich ihn kenne einen Helm, denn sein Papa hatte ebenfalls einen Radunfall, der erst nicht so schlimm daher kam, aber ihm kurz danach wegen des unerkannten Hirnblutens fast das Leben gekostet hat. Und ich denke, warum lässt man es überhaupt erst so weit kommen, warum muss erst was schlimmes passieren, dass man umdenkt?!
Also, Helm =
Hallo Sandra,
dein Artikel ist super! Ja, der Helm schützt „nur“ den Kopf, aber in diesem Fall ist das nur ein immerhin!!!
Ich trage seit 8 Jahren Helm – seitdem die Enkelkinder einen Helm tragen und die tragen bei uns sogar einen Helm, wenn sie Laufrad fahren. Bei einem Fahrrad-Urlaub auf Föhr mit einer Freundin sind wir sogar erst eine ganze Weile auf dem Markt herum gegangen bis uns auffiel, dass wir noch die Helme tragen – sie stören also wirklich nicht. Aber es gibt noch genug Leute, die sogar auf den schnelle ebikes ohne Helm fahren – ich kann es nicht verstehen :-(.
Liebe Grüße – Frauke
Ich bin Krankenschwester auf einer Intensivstation und mein Mann ist Neurochirurg. Genau die Intensivstation auf der die Menschen dann hinkommen die eine schwere Kopfverletzung haben, die Neurochirurgie. Das was man da zu sehen bekommt ist kein schöner Anblick. Der Helm sollte Pflicht sein, ja er schützt nicht vor Knochenbrüchen an Armen und Beinen, aber diese machen dich nicht zum Pflegefall, im schlimmsten Fall im Wachkoma liegend. Egal ob mit dem Rad, Inliner, Scooter, ein Helm ist Pflicht, egal ob groß oder klein, wir tragen alle einen. Es muss nicht zwingend ein Auto am Unfall beteiligt sein, es reicht schon mit dem Rad in die Gleisspalte der Strassenbahn zu kommen oder einfach mal das Gleichgewicht zu verlieren und mit dem Kopf auf die Bordsteinkannte zu fallen.
Aber ein Helm sollte auch richtig getragen werden, es bringt nichts ihn zu tragen wie eine Kippa.
Ich hab auch einen Nutcase, passend zum Fahrrad.
hallo Sandra, kann man denn auch anders Fahrrad fahren. ich habe nach 20 Jahren wiedre angefangen Helm war selbstverstädlich ist nicht wegzudenken genauso wie ich im Auto immer mit Gurt fahre.
LG KuR
Danke für den Beitrag. Denn die zerdrückte Frisur ist gegen alles andere echt das geringere Übel.
Grüße
Ilka
(schon seit Jahren mit Helm)