Work is not a Kinderspiel #11. Oder auch: Interview mit Leonie von Minimenschlein

Hat der Podcast „Work is not a Kinderspiel“ die gleichnamige Interviewreihe ersetzt? Hier ist die Antwort: nein! Nach wie vor möchte ich hier selbständig arbeitende Mütter zu Wort kommen lassen, wie sie Familie und unternehmerisches Tun vereinbaren.

Heute habe ich die große Freude, Gedanken und Erfahrungen von Leonie Lutz mit Euch zu teilen. Leonie ist Herz und Kopf vom Label Minimenschlein, Mutter in einer Patchwork-Familie (ihre Töchter sind 14 und 4 Jahre alt) – und sie engagiert sich bei all dem sozial. Sie nutzt ihre Reichweite aktuell mehr denn je auch für Themen, die andere in einem Lifestyle-Magazin niemals unterbringen wollen würden. Und sie geht dorthin, wo es auch mal weh tut: in ein Kinderdorf von Kambodscha zum Beispiel.

Trotz all dieser ambitionierten und kräftezehrenden Herausforderungen kommt sie stets strahlend schön (so meine persönliche Meinung) und zuversichtlich um die Ecke. Von solchen beeindruckenden Frauen möchte ich immer etwas lernen. Und vielleicht seid Ihr genauso interessiert wie ich es war, was Leonies Antrieb ist, was das Wort „Vereinbarkeit“ bei ihr auslöst und ob es auch in solch einem Powerleben noch ungelöste Probleme gibt? Dann viel Spaß mit diesem Interview!

Leonie Lutz über ihren Alltag als Selbständige & Mutter

Leonie, Du bist von allen bisherigen Interviewpartnerinnen diejenige, die am längsten selbständig ist. 15 Jahre nämlich. Kannst Du Dir eine Festanstellung überhaupt noch vorstellen?

Ich glaube nicht, auch wenn ich mir das manchmal wirklich wünsche. 15 Jahre in der Selbstständigkeit sind einfach auch anstrengend, es gibt Hochs und Tiefs, fiese Steuerrückzahlungen, Kunden, die dich monatelang auf ihr Geld warten lassen – ich habe schon eine Menge erlebt. Und dann gibt es diese Tage, da fühlst du dich dermaßen unproduktiv, weil die Zeit ausschließlich für Verwaltung drauf gegangen ist, da denke ich manchmal: ,Ach komm, ich frag beim Bäcker nebenan, ob sie noch jemanden brauchen. Dann habe ich geregelte Arbeitszeiten und am Ende des Monats immer verlässlich mein Geld.’

Aber letztlich bin ich dafür vermutlich auch nicht mehr gemacht. Jeder meiner Arbeitstage ist immer anders, ich bin mein eigener Chef und mit einem guten Setting drumherum, wie Anwalt und Steuerberater, hat sich zumindest verwaltungstechnisch alles gut eingegroovt.

Wenn Dich jemand fragt, welchen Beruf Du hast – was antwortest Du?

Ich bin gelernte Redakteurin und dann sage ich: Ich bin Redakteurin, arbeite aktuell jedoch ausschließlich als Bloggerin.

Du hast Dich nach einer langen Zeit, in der Du nichts mehr mit Windeln, schlaflosen Nächten und zu klein gewordenen Bodies zu tun hattest, nochmal für ein Kind entschieden. Hattest Du zu diesem Zeitpunkt noch gut in Erinnerung, welchen massiven Einfluss diese erneute Veränderung auf Deinen beruflichen Alltag nehmen würde?

Nein, keineswegs. Zwischen meinen beiden Kindern liegen ja einfach zehn Jahre. Zehn Jahre und ein Ortswechsel. Lilly wurde 2003 in Berlin geboren. Dort gab es damals Kitaplätze und mit einem Jahr war sie jeden Tag bis 13 Uhr dort – in einer Gruppe mit 5 Kindern und 2 Erziehern. Ich hatte komplett unterschätzt, wie schlimm es tatsächlich mittlerweile geworden ist.

Auch bei Lina habe ich mich für ein Babyjahr entschieden und war mir bewusst, dass ich als Selbstständige bei einem Jahr Auszeit keines meiner Projekte behalten kann. Ich brauchte aber auch diesen Neuanfang. Als ich jedoch wieder Bock hatte, endlich etwas zu tun, gab es weit und breit keinen Platz. Weder privat noch städtisch oder in einer kirchlichen Einrichtung. Ich begann meinen Blog, weil ich irgendwie ein Ventil brauchte und einfach schon immer unfassbar gerne gearbeitet habe. Der Blog wuchs, die Arbeit mit, und ich hatte immer noch keine Betreuung für die Kleinste.

Das erste Blogjahr war daher das anstrengendste. Ich habe jede Nacht gearbeitet und wenn die Kleine Mittagsschlaf gemacht hat. An den Wocheneden habe ich mich manchmal ausgeklinkt und ein paar Stunden am Stück was gemacht, dann hat mein Mann etwas mit den Kindern unternommen. Das habe ich etw ein Jahr durchgehalten, dann ging es nicht mehr und irgendwann kam der entlastende Anruf: Wir haben einen Kitaplatz. Da war Lina 2,5 Jahre alt.

Welche der Einschränkungen, die sich durch das Elternwerden für den Job ergeben, spürst Du am meisten?

Man will, kann aber nicht. Vereinbarkeit in Deutschland funktioniert einfach nicht. Auf die Frage: „Wie schaffst du das eigentlich alles?“ habe ich immer geantwortet: Gar nicht. Oder jedenfalls nicht so, wie ich es mir vorstelle. Das ist ein Kompromiss, zu dem ich mit mir selbst gezwungen wurde. Allerdings war das auch nicht immer so.

Ich habe mich damals selbstständig gemacht, da war Lilly 6 Wochen alt. Ich war gerade mal 24 Jahre alt und hochmotiviert, bekam Schreibaufträge von Magazinen und meinem ehemaligen Arbeitgeber, ein TV-Produzent. Ich habe immer mal wieder abends was geschrieben, an den Wochenenden, zwischendurch. Es liegt eben aber auch viel am Kind selbst. Lilly war ein sehr ruhiges Baby, schlief früh durch, schlief zudem viel am Tag, war glücklich und zufrieden. Sie hat mich wenig Kraft gekostet, ich hatte daher Zeit und Lust, etwas zu tun.

Du hast in einem Interview mit Spiegel Online vor Kurzem gesagt, dass Du heute mehr als früher arbeitest. Im ersten Moment würde man es umgekehrt vermuten: je mehr Kinder, desto geringer die verfügbare Zeit. Schildere doch mal, wie sich Deine Arbeitszeit derzeit verteilt …

Ist auch so, meine Arbeitszeiten sind eben anders. Ich arbeite immer zwischen 9 und 15 Uhr und mache meine Mittagspause, wenn die Große von der Schule kommt mit ihr zusammen. Am Nachmittag hole ich die Kleine, dann ist in der Regel Kinderzeit bis sie ins Bett gehen. Oft setze ich mich dann nochmals an den Rechner. Nicht mehr jeden Abend, wie in meinen Anfängen mit dem Blog, aber doch recht häufig. Social Media Aktivitäten wie Facebook, Pinterest und Instagram habe ich auch in den Abend gelegt oder mache ich zwischendurch.

Und wenn ich am Wochenende eine Lücke habe, nutze ich diese auch. Jetzt gerade zum Beispiel ist Samstag morgen, mein Mann mit den Mädels einkaufen und ich beantworte dieses Interview. Rechne ich diese ganzen „Zwischendurch-Sachen“ zusammen, komme ich auf mehr als einen 40-Stunden Job.

Hast Du einen typischen Arbeitstag?

Ich bin nicht jeden Tag Zuhause im Homeoffice, sondern auch mal beim Kunden, in Workshops, habe Dreharbeiten, Events – jeder Tag ist anders.

Das klappt eigentlich ganz gut und ich kann die Kleine holen, es sei denn ich bin außerhalb von Köln, dann springen mein Mann oder unsere Oma ein. Der Kitaplatz hat viel Entlassung für mich gebracht. Und wenn wirklich Not am Mann ist, habe ich ja noch Lilly, die mit ihren fast 15 Jahren ja auch gerne auf die Kleine aufpasst oder sie mal von der Kita abholen kann.

Ich weiß, dass Du inzwischen auch eine Assistentin angestellt hast. Welche Aufgaben kannst Du an sie abgeben und führt das zu einer spürbaren Entlastung?

Assistentin würde ich sie jetzt nicht nennen, weil sie viel mehr als das ist. Sie arbeitet ausschließlich für meinen Onlineshop und wickelt da alles ab. Versand, Buchhaltung, Kontakt mit unseren Lieferanten, Steuer – alles. Ohne sie könnte ich den Shop nicht betreiben und wollte ich auch gar nicht, weil es eben auch so wertvoll ist, jemanden zu haben, der mit dir gemeinsam auf Augenhöhe Entscheidungen trifft, mal korrektiv ist, mal Bedenkenträger. Ich bin jemand, ich treffe meine Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Dann kommt sie und zeigt mir Excel-Listen. Und die Zahlen sind ja enorm wichtig bei einem Shop, ohne sie hätte ich mich vermutlich gleich zu Beginn verkalkuliert.

Deine Erlebnisse in Kambodscha waren ja sehr prägend. Hat die Reise auch Deine unternehmerisches Denken und Handeln verändert? Gibt es neue Prioritäten oder Ziele?

Ja, es hat mir gezeigt, dass ich da weitermachen muss, wo ich aufgehört habe – sprich am Ende der Reise. Ich erzähle viel von meiner Reise, spreche oft mit meinen Kindern darüber und ich denke noch jeden Tag daran. Ich glaube, noch nie hat sich etwas so sehr in meinem Kopf verankert wie die 14 Tage in dem Kinderdorf in Kambodscha. Aktuell überlege ich, wie ich nochmals helfen kann. Viele internationale Spender sind weggebrochen, das Kinderdorf braucht gerade mehr Budget denn je, um das aufzufangen. Ich bin aber nicht wie im vergangenen Jahr vor Ort und kann das zeigen – daher überlege ich aktuell, ob ich mich ggfls. mit anderen Bloggern zusammen schließen kann, man eine Spendenaktion macht oder eben auch feste Sponsoren findet. Für 37 Euro monatlich können wir hier ein Kinderleben retten. Viele Menschen haben diese 37 Euro übrig. Es sind aber noch nicht genug, die sich dafür entscheiden.

Deine Kambodscha-Reise und die aktuelle Botschafterrolle für CFI Internationale Kinderhilfe machen deutlich, dass Du keine profitorientierte Business-Bloggerin bist, sondern Deinen Blog auch als Instrument siehst, Dinge besser zu machen und Menschen zu helfen. Steht Dir diese Haltung manchmal im Weg, wenn Du Honorare verhandelst? Verkauft man sich vielleicht ab und an unter Wert, wenn man den Wert der Arbeit eben nicht nur in Euros misst?

Tatsächlich steht mir diese Haltung nicht im Weg. Es ist ja so: Ich kann nur einen erfolgreichen Blog mit Relevanz betreiben, wenn sich das alles trägt, ich davon leben, meine Steuern, Krankenversicherung und in die Rente zahlen kann – Rücklagen nicht zu vergessen. Das ist die Basis, die muss immer gewährleistet sein. Was ich jedoch beobachtet habe: Nach meiner Rückkehr hatte ich etwa sechs Wochen lang ausschließlich Anfragen von Hilfsorganisationen. Da waren Organisationen dabei, von denen hatte ich noch nie etwas gehört. Selbstverständlich habe ich jede Kooperation abgelehnt, weil ich erstens bewusst entschieden habe, ehrenamtliche Botschafterin für CFI Kinderhilfe zu sein und zweitens dort eben auch mit eigenen Augen gesehen habe, dass die Gelder bei dieser Organisation ankommen und wie sie eingesetzt werden.

In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit habe ich nie das Gefühl, dass ich mich unter Wert verkaufe. Im Gegenteil: Es fühlt sich richtig und wichtig an, mir tut das gut, und ich weiß, dass ich anderen – in diesem Fall Kinder – helfe.

Was waren in den vielen Jahren Deiner Selbständigkeit die drei wichtigsten Learnings, die Du Deinen Töchtern mit auf den Weg geben würdest, sollten sie einmal Gründerinnen werden?

Halte durch, glaub an dich und: mach nichts mit Medien! 🙂 Aber gut, wenn das ihre Stärken wären, dann würde ich sie natürlich auch da immer bekräftigen. Als Gründerin muss man einfach bereit sein, alles zu geben, und: Es muss Spaß machen, sonst kann man auch nicht erfolgreich sein.

Und welchen ultimativen Tipps könntest Du Dir nicht verkneifen, wenn sie innerhalb der Selbständigkeit schwanger würden?

Stell dich auf eine anstrengende Zeit ein, aber alles ist schaffbar.

Vieles, was Leonie in den vergangenen Jahren geschafft hat, könnt Ihr auf ihrem Blog sehen.  Ihr habt Interviews aus der Work is not a Kinderspiel-Reihe verpasst? Dann schaut einmal in die Übersicht und lest kluge Gedanken von Frauen wie Ninia LaGrande oder  Rike Drust.

Fotos: Bina Terr

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

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