„Mama is saua!“ Oder auch: Mit Kindern über Gefühle sprechen (enthält Werbung)

„MAMA IS SAUA!! SAUA!“ Der Lütte steht am geöffneten bodentiefen Schlafzimmerfenster (hat Schutzstreben davor, keine Bange!) und schreit es immer wieder über alle Garten unserer Reihenhaussiedlung hinweg. „MAMA IS …. SAUAAA!!!“ Okay, nun habe ich vermutlich bei allen Nachbarn den Stempel einer strengen Rabenmutter, dessen Kind seine Verzweiflung über frisch geschnittene Hecken hinwegbrüllen muss. Dass „sauer sein“ in diesem Moment lediglich bedeutet, dass ich ein etwas deutlicheres „Jetzt ist wirklich mal Schluss“ vorbrachte, nachdem mein Sohn auch nach der dritten Bitte, die Toilettenspülung nicht immer wieder und wieder zu drücken, nicht reagierte – nun ja, wer sollte das bei dieser Wucht an kindlichem Geschrei vermuten?

Sauer sein – dieses Gefühl ist eines von inzwischen drei verschiedenen, die der Lütte benennt. Die anderen: traurig und fröhlich sein. Grundsätzlich kann er sich mit diesem Trio schon ganz gut selbst verorten und auch erkennen, wie sein Gegenüber drauf ist. Weint ein Kind, ist für ihn klar: da ist jemand traurig. Frage ich ihn, wie es ihm geht, und er hat gut Laune, bekomme ich zur Antwort, dass er fröhlich ist. Naja, und „sauer“ sind Menschen seiner Ansicht nach immer dann, wenn sie etwas anderes wollen als er. Das Leben kann so einfach sein 😉

Auf echte Empathie muss ich noch warten…

Über kurz oder lang wird allerdings auch seine kleine Welt komplexer und seine Verständnis für Gefühle differenzierte. Zum Glück, wie man vor allem mit Blick auf das fehlende Mitgefühl von Kleinkindern sagen muss. Denn es erscheint  schon recht herzlos, wenn das eigene Kind eine echt stressigen Situation, in der man sich als Elternteil vielleicht gerade noch kräftig weh getan hat und plötzlich Tränen in den Augen hat, nur mit einem quengelnden „Autos spielen. Jetzt!“ kommentiert. Dank des Gewünschtesten Wunschkind habe ich aber gelernt, dass Kinder erst nach einigen Lebensjahren empathisch reagieren können und ich mir daher keine Sorgen um die soziale Kompetenz meines Zöglings machen muss.

Gefühle an sich selbst wahrzunehmen und bei anderen zu erkennen – ich halte beides für unglaublich wichtig, um im Leben klarzukommen. Gerade die eigenen Emotionen klar spüren zu können, ist eine gute Grundlage, um zu entscheiden, welchen Weg man gehen möchte. Privat, beruflich, im Zusammensein mit Freunden… Aber so wirklich leicht ist das gar nicht. Wir sind den ganzen Tag zugeschüttet mit Nachrichten, Aktivitäten, ToDos, Terminen, so dass Momente des Innenhaltens häufig auf der Strecke bleiben. Im schlimmsten Falle gerät man dadurch in ein Handeln, das gar nicht mal gut für einen ist. Einfach weil man vergisst, zu prüfen, wie man sich dabei fühlt. Zwar werden wir täglich mehrfach von Menschen gefragt, wie es uns geht – aber meist ist sowohl diese Frage als auch unsere Antwort darauf eine ritualisierte Floskel. Nicht aus bösem Willen, einfach, weil es so antrainiert ist.

Nicht umsonst hat das Stichwort Achtsamkeit in den vergangenen Jahren so einen Aufschwung erlebt. Letztlich ist es nichts anderes als die Erinnerung daran, dass wir bei den Dingen, die wir tun, mal in uns reinhorchen sollen.

… Gefühle benennen kann ich schon jetzt!

Ich habe mich gefragt, was ich schon jetzt tun kann, damit der LÜtte nicht nur weiß, wie Tiere auf dem Bauernhof heißen, sondern auch merkt, was dieses diffusen Empfindungen bedeuten, die da täglich durch seinen Bauch krabbeln. Was kann ich tun, damit er den Zusammenhang zwischen Situation bzw. eigenem Handeln und dem, was es bei ihm oder seinen Gegenüber auslöst, besser einordnen kann?

Zunächst habe ich damit begonnen, seine Gefühle zu verbalisieren. „Du bist enttäuscht, dass Dir das Kind seine Schaufel nicht leihen möchte“ zu sagen, wenn ihm Enttäuschung ins Gesicht stand. „Der Junge hat sich erschrocken, als der Hund um die Ecke kam“ zu sagen, wenn uns solch eine Situation tatsächlich begegnete. Etc. Manchmal komme ich mir dabei vor wie ein verkappter Hobby-Paartherapeut. In anderen Situationen hingegen denke ich, dass ich im Gespräch mit Erwachsenen diese Rhetorik auch öfter mal anwenden sollte. Gefühle zu benennen ist der einzige Weg, Kindern diese Worte überhaupt bekannt zu machen. Sie mit konkreten Alltagssituationen in Verbindung zu bringen, hilft darüber hinaus zwangsläufig, dass ihre Bedeutung besser erfasst werden kann.

Bücher und Lego vermitteln altersgerecht

Und auch beim Spielen und Lesen kann man hier und da für Gefühle und deren Kontext sensibilisieren. Drei Dinge helfen mir momentan dabei:

Lego Duplo-Set „Meine ersten Emotionen“:

Wenn das Eis von der eigenen Hand auf die Straße fällt, dann ist man als Kind ganz schön traurig. Hat ein anderes Kind es aus der Hand geschlagen, dann ist man hingegen ziemlich sauer. Lego bietet mit seinem Gefühls-Set passenden Bausteine, um solche Situationen nachzubauen.

Da sie auf der Vorder- und Rückseite jeweils die gegensätzlichen Gesichtsausdrücke zeigen (Vorderseite beispielsweise weinend, Rückseite lachend), kann man das eigene Kind auch prima fragen, was passieren müsste, damit sich die Laune der Figur wieder wandelt. Womit könnte das traurige Kind getröstet oder das müde Kind zur Ruhe gebracht werden? Kommt ein passender Hinweis, dreht man die gebaute Figur einfach um und verdeutlicht so, dass die Idee eine gute war. Der Lütte ist immer froh, wenn alle Figuren am Ende wieder gut drauf sind. So wie er bei mir auch immer froh ist, wenn ich nicht mehr „saua“, sondern wieder „flöhlich“bin.

Buch „Ich bin jetzt…glücklich, wütend, stark“ 

Die Carlsen-Reihe „Die Großen Kleinen“ ist uns inzwischen mehrfach sehr ans Herz gewachsen – weil es richtig dicke Bilderbücher sind, die man lange anschauen kann. Andere sind oft nach zehn Seiten vorbei und man muss schon das nächste rauskramen.

Daher habe ich mich sehr gefreut, dass die Reihe auch einen Titel hat, in dem Gefühle eine große Rolle spielen. In „Ich bin jetzt…“ geht es nämlich um  verschiedene Eigenschaften, die Menschen so an den Tag legen können. Geduldig, tapfer, nachdenklich, schlau, glücklich sein. Zum Beispiel. Hervorzuheben ist außerdem. dass die illustrierten Figuren sehr divers sind: afroamerikanisch, rothaarig mit Sommersprossen, ein bißchen dicker, ein bißchen dünner, klein, groß, blass, südländisch…. Ein Buch, das ich Euch definitiv für Kinder ab zwei Jahren empfehlen kann.

Wieso, Weshalb, Warum junior: „Ängstlich. fröhlich, wütend sein“

Auch diese Reihe ist schon mehrfach bei uns vertreten und wird gern vom Lütten in die Hand genommen. Anhand für die Altersstufe verständlichen Alltagssituation werden viele Gefühlslagen beschrieben, hinter klappen verstecken sich meist Vorher-Nachher-Situationen. Der Lütte interessiert sich aktuell noch mehr für die Bilder als für die Texte, erkennt sich in den gezeigten Szenen aber durchaus wieder.

So, genug der „emotionalen“ Inhalte für heute. Ich wappne mich nun mal wieder für die nächsten Jahre, in denen ich geduldig darauf warten muss, dass mein Sohn versteht, warum ich nach einem stressigen Tag mit Einkauf im Arm und vom Platzregen nassgeregt im Flur stehend so gar kein Verständnis dafür habe, dass er mir zum hundertsiebzigsten Mal die gleiche nervige Frage stellt. Solange muss ich ihm wohl einfach immer die entsprechende Legofigur vor die Nase halten….

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

One thought on “„Mama is saua!“ Oder auch: Mit Kindern über Gefühle sprechen (enthält Werbung)

  1. Danke dafür! Ich hab gleich das Buch von Constanze von Kitzing bestellt. Wir haben schon „Ich mag“ und ich war schon dort von der Diversität höchst beglückt.
    Liebe Grüße, Falk

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