Das verflixte siebte Jahr. Oder auch: Sonnige Versöhnung mit Heidelberg.

Zwölf Jahre sind vergangen, seit ich mit dem Umzugswagen die Heidelberger Altstadt verlassen habe. Mit an Bord: viele Kartons, einen Magister-Abschluss und gemischte Gefühle. Dankbarkeit über eine erlebnisreiche Zeit, über sieben intensive Jahre in einer der schönsten Städte Deutschlands. Aber auch Trauer darüber, dass die so schöne Zeit nicht schön zu Ende ging. Dass ich nicht festgehalten konnte, was sich festzuhalten gelohnt hatte. Dass ich nicht festgehalten wurde von denen, die über so viele Jahre mein Halt waren. Heidelberg und ich – diese Liebesgeschichte geriet in das verflixte siebte Jahr und fand ein Ende. An diesem Wochenende haben wir uns wiedergesehen. Und versöhnt.

Mein Heidelberg hat einen Soundtrack. Counting Crows, Buena Vista Social Club, Barry White, Oasis, Guano Apes, Kaiser Chiefs. Die unvergessenen Töne, die heute Symbole sind, schallten durch  viele Orte. Durch den Karlstorbahnhof, durch die Obere Neckarstraße 14, durch WG-Küchen in Rohrbach, durch das SWR3-Studio im Heidelberger Bahnhof und über Dachterrassen in der Bergheimer Straße. Dazwischen zu hören: knarzende Holzböden im Historischen Seminar, blecherne Schließfächer vor dem Lesesaal und Atempausen in langen Festnetztelefonaten.

Mein Heidelberg schmeckt nach Mensaessen aus der Triplex, nach dem Keks, der immer neben dem Marstall-Kakao auf der Untertasse lag, nach Kaffee im Hörnchen und nach Bunten Tüten aus dem Heidelberger Zuckerladen, die mich zum Großen Latinum getragen haben. Nach dem letzten Glas Weißwein aus den Flaschen, die wir nachts vom Haus Buhl nach Hause getragen haben, nach Brötchen vom Gundel.

Mein Heidelberg hat Namen. Anne, Simon, Ines, Hilke, Uli, Axel, Catrin, Susanne, Gerald, Ilse, Arne, Wiebke, Uwe. Koni. Weinfurter, Ukena-Best, Bär, Wolfrum. Mein Heidelberg fühlt sich an wie eine blaue Tainingsjacke, wie die staubigen Mittelalterrelikte im Quellenraum und der Knauf an der schweren Haustür zum Linguistischen Seminar.

Zweimal kehrte ich zurück für einen kurzen Halt. Doch es war, als hätte mich die Stadt ausgespuckt, obwohl ich doch mitten durch sie hindurchlief. Ich kam nicht mehr ran an mein Heidelberg. An das Gute von damals. An das, was mir so viele Jahre Halt gab. Und so floh ich erneut, fest davon überzeugt, dass ich dieser Stadt niemals wieder würde vertrauen könne.

Manchmal sind der guten Dinge aber tatsächlich drei. Manchmal braucht es ein Zugticket, ein Wochenende Zeit, ein Abklappern der wichtigsten Erinnerungsorte und ein Gespräch, das man sich in den Jahren davor einfach nicht zugetraut hätte. Um endlich wieder Frieden zu schließen mit Heidelberg und zu erkennen, dass schöne Zeiten nicht immer schön zuende gehen. Sie dadurch aber nicht weniger bedeutsam waren.

Wonach schmecken Eure Studienjahre? Seid ihr geblieben? Gegangen? Zurückgekehrt? Ich würde mich über Eure Erinnerungsfetzen in den Kommentaren sehr freuen.

 

About Sandra

Ich schreibe hier über drei Dinge, die mich jeden Tag aufs Neue beschäftigen: meine Heimatstadt Bremen, meine berufliche Selbständigkeit und mein Alltag als Mutter eines Kleinkindes. Was mir am Herzen liegt: Euch anzustiften! Zu Unternehmungen an der Weser, zu Mut im Berufsleben und zu einem humorvoll-offenen Herzen für Eure Kinder. Allen Herausforderungen zum Trotz. Dass es nicht immer einfach ist, Familie und Job zu vereinbaren, darum geht es hier nämlich auch ab und zu.

10 thoughts on “Das verflixte siebte Jahr. Oder auch: Sonnige Versöhnung mit Heidelberg.

  1. Liebe Sandra,

    meine Studienzeit habe ich nicht so intensiv erlebt weil es ein berufsbegleitended Studium war. Vollzeitarbeit und Fernstudium mit vielen Präsenzzeiten und Prüfungsphasen im März und November…in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Das hat nichts mit Heidelberg gemeinsam.
    Was ist geblieben? Ein Bachelor Abschluss in Agrarmanagement und Landwirtschaft und eine geniale Truppe aus 9 Leuten die sich jedes Jahr in einer anderen Heimatstadt eines Mitglieds trifft.
    Ohne diese Leute hätte ich mein Studium in der Form nicht gepackt. Sie sind jedes Jahr wieder für ein Wochenende Teil meines Lebens. Schön finde ich 🙂

    1. Einmal im Jahr neun tolle Menschen treffen, mit denen man Erinnerungen teilt? Das ist eine der besten Sachen, die aus einem Studium übrig bleiben kann. Wunderbar!

  2. Ich habe in einer sehr großen, sehr teuren bayerischen Stadt studiert (hätte ich vermutlich nicht gemacht, wenn ich nicht die entsprechende Eignungsprüfung für das Fach eher zufällig mitgemacht und bestanden hätte). Ich war da wohl ziemlich blauäugig. Finanzielle Unterstützung konnten mir meine Eltern nicht leisten, das Bafög reichte hinten und vorne nicht. Während also meine Kommilitonen sich anfreundeten, sich Cliquen bildeten, jobbte ich. Kontakte aus der Studienzeit sind deshalb kaum geblieben, ich war Einzelkämpfer, weil ich mir die Seminare so aussuchen musste, dass sie zu meinen Arbeitszeiten passten. Dazu kommt, dass es sich natürlich um keine typische Studentenstadt handelte. Alles war groß, überlaufen und teuer. Aus den Jobs sind mir zum Glück ein paar Kontakte geblieben. Heute bereue ich es, in diese Großstadt zum Studieren gegangen zu sein, obwohl die bestandene Eignungsprüfung als Privileg galt. Ich hätte lieber eine kleinere Stadt mit typisch studentischen Flair wählen sollen – und mit günstigeren Mieten. Wenn ich von deiner Studienzeit in Heidelberg lese – genau diese Erinnerungen fehlen mir. Studienzeit war für mich Stress, um finanziell über die Runden zu kommen und eine unpersönliche Atmosphäre an der Riesenuni. Ich habe mich ziemlich allein gefühlt.

    1. Liebe Kathrin, es tut mir ehrlich leid, dass Du das Unileben, so wie es war, rückblickend bereust. Gearbeitet habe ich tatsächlich auch immer, zeitweise auf drei Stellen. Praktika in den Semesterferien kamen obendrauf. Ich habe dadurch einfach sehr lange studiert, ich weiß gar nicht, ob das heutzutage noch so möglich wäre. Wenn man Zeit- und Gelddruck hat, ist so ein Studium alles andere als ausgelassen. Und Freundschaften kann man dann auch deutlich schwerer pflegen. Ich hoffe, Du haderst nicht zu sehr damit und kann wie ich irgendwann in die Stadt zurückkehren und Frieden schließen.

  3. Liebe Sandra,
    Danke für die schönen Worte und die Idee… Ich hadere immer noch mit meiner Studienstadt, Göttingen. Leider wurde ich gegangen, habe den Drittversuch nicht bestanden und war auf einmal eben keine Studentin mehr. Ich vierließ die eigentlich wunderhübsche Stadt enttäuscht, verzweifelt und voller Selbstzweifel.
    Habe mich danach irgendwie wieder aufgerappelt, mein Herz an die Ostsee und endlich meine neue Heimatstadt verloren und wieder angefangen zu studieren. Neben der Arbeit, als Werksstudentin.

    Während Göttingen für mich leider immer noch bitter schmeckt, trotz der vielen herrlichen Erinnerungen ist es Lübeck, dass zwar nicht nach Marzipan aber herrlichen Kirsch-Brownies einer Freundin schmeckt und das hoffentlich auch noch ein paar Jahre mein Zuhause bleiben wird.

    1. Eine Stadt, die nach Kirsch-Bownies schmeckt, kann nur gut sein. Wie schön, dass alles noch eine so gute Wendung genommen hat!

  4. Mein Abgang aus Kiel war auch nicht so toll, ich hab nach vier Jahren VWL frühzeitig und freiwillig beendet und bin gottseidank in die Pädagogik gegangen, wo ich wirklich hingehöre. Ich liebe Kiel und das ist was bleibt, zum Leben eine so tolle, nicht zu große Stadt! Wäre Kiel zentraler und näher an unseren Familien würden wir langfristig dorthinziehen. So ist Bremen aber für uns die bessere Alternative, und ein neues Zuhause geworden.
    Ich hab auch nochmal drei Jahre woanders studiert, aber ohne groß auf Uniparties gegangen zu sein, und von daher fühlt sich das tatsächlich für mich gar nicht wie eine Studizeit an. Das hatte einen anderen Fokus…

    1. Ich sollte mir Kiel wohl nochmal genauer anschauen. Ich war nur einmal kurz da und war eher enttäuscht. Da habe ich wohl die „falschen“, ustudentischen Ecken gesehen 😉

      1. Kann eine Stadt mit Förde und außerhalb Meer öde sein? Nein! Man muss aber schon wissen wo man hin muss… Es gibt definitiv nicht so schöne Ecken.

  5. Ich konnte mich mit meiner Studienstadt Tübingen erst im Laufe der Zeit anfreunden. Erst im ungefähr vierten Jahr haben wir uns wirklich gut angefreundet, nach fünf Jahren war aber dann schon Schluss. Und was bleibt? Wenn ich an Tübingen denke, habe ich sofort einen Ohrwurm („Tübingen, warum bist du so hüüüügeligg?“), denke an laue Sommerabend am oder auf dem Neckar mit einem kühlen Radler in der Hand, schmecke leckersten Kaffee aus den verschiedenen tollen Cafés, erinner mich an Pommes aus Gefängnis-Präge-Tabletts in der Mensa und grinse immer noch über die barfußlaufenden Hippie-Tübinger.
    Ach, so schade, dass ich am Anfang mit Tübingen überhaupt nicht befreundet sein wollte.

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