Tschööö Bremen! Oder auch: Ab aufs Land #3

Der Countdown läuft. Es sind nur noch wenige Tage, dann müssen wir Abschied nehmen. Dann war es das mit dem Bremer Alltag.

Während ich so mit meinem Falafel-Rollo durch die Neustadt schlendere, bin ich emotional. Die Flip-Flops klatschen an die Fußsohlen, der Körper ist nach dem Toben mit den Kindern im Werdersee noch nicht abgeduscht. Die Haare kleben wild an meinem Kopf und jeder, der mir entgegenkommt, lächelt. Es ist diese Sommerverbundenheit, in der die Bremer einfach wissen, was sie an ihrer Stadt haben. Ich weiß es auch und lächele zurück.

An diesen letzten Tagen kommen die ganz großen Erinnerungen hoch. An dieses Kribbeln im Körper als plötzlich klar ist, dass wir nach fünf Jahren in NRW nach Bremen zurückkehren können. Unser erster Sohn war damals gerade ein halbes Jahr alt. Die Zeit um uns stand still. Wir waren im Sog der Elternzeit, die einem Raum gibt, sich auf sich und seine Familie einzulassen und darüber nachzudenken, was man überhaupt vom Leben will. Dank des Luxus‘ Sozialstaat wussten wir schnell: Das Kind soll an die Weser und nicht in einen Karnevalsverein.

„Mit Bremen kann man nicht viel falsch machen.“

Unserer Vorfreude stand viel Skepsis gegenüber. “Warum in Gottes Namen wollt ihr nach Bremen?” und “Ihr braucht wohl ’n bisschen Hartz 4 im Alltag, wa?” – das in etwa waren die Reaktionen. Nur eine Kollege grinste und sagte: “Mit Bremen kann man nicht viel falsch machen.” Er hatte an der Hochschule in der Neustadt studiert. Er wusste es besser, so wie wir.

Dennoch: In gewisser Weise hatte ich Verständnis für die Skepsis. In Düsseldorf blühen die Magnolien schon im März und im November reicht oft ein T-Shirt beim Spaziergang aus. Die Stadt ist voller Restaurants. Thai- und Sushi-Läden liegen hier neben schlichten Kneipen, in denen man sogar dann noch hipp ist, wenn man Bratkartoffeln mit Spiegelei bestellt. Das Nachtleben pulsiert am Rhein – in der Altstadt sowie drum herum in Städten wie Köln und Essen. Ganz anders als in Bremerhaven oder Delmenhorst. In Düsseldorf gibt es Arbeitsplätze – sogar für Journalisten. Warum also wollten wir ausgerechnet zurück nach Bremen?

Die Antwort ist einfach: Wir lieben Bremen. Von der Sekunde an, als ich 2008 erstmals WG-suchend auf dem klappernden Rad übers Kopfsteinpflaster des Viertels gefahren bin, war ich hin und weg. Die Häuser sind niedrig, die Wege kurz und die Nordseeluft fliegt über die Weser. Das Viertel ist laut und hipp, die Neustadt hipp und innovativ, Walle kommt, die Überseestadt auch. Bürgerpark und Werdersee sind zum Durchatmen da. Und an Werder kommst du nicht vorbei. Wir fanden rasend schnell Freunde. Menschen die gerne Doppelkopf spielen und Kohlrouladen essen. Die sich über Lokalpolitik aufregen und für EU-Politik begeistern können. Wir waren in Bremen zu Hause – und nun nach Jahren am Rhein sollte es wieder an die Weser gehen.

Dass Bremen dank Pisa und Kriminalstatistik einen schlechten Ruf hat, war uns herzlich egal. Wir wussten es wie gesagt besser. In Bremen waren die Mieten noch günstig, in Bremen gibt es noch Becks für ’nen Euro, in Bremen wollten wir sein.

Neue Freunde, meinen festen Job bei der Wirtschaftswoche, den bereits fest gezurrten Betreuungsplatz – wir ließen alles zurück. Und Bremen meinte es gut mit uns. Es dauerte insgesamt nur vier Monate dann hatten wir eine tolle Wohnung in der Neustadt, eine grandiose Tagesmutter und ich den perfekten Job gefunden. Und am Ende wurde in Bremen-Nord Baby T. geboren.

Tschööö  Bremen. War schön mit Dir.

Und jetzt? Jetzt gehen wir wieder. Wir ziehen aufs Land. In diesem Satz liegt so viel Trauer und gleichzeitig so viel Vorfreude und Zuversicht. Denn was wir schmerzhaft lernen mussten: Für unsere Familie hat Bremen kein Zuhause bereit gehalten. Wir gehören nicht zu denen, die auf den Kindergarten schimpfen – in Düsseldorf war die Betreuungssituation um einiges angespannter als in der Hansestadt! Wir können uns auch noch kein Bild über die Schulen in Bremen machen. Mit dem Blick in meinen Freundeskreis glaube ich aber, dass man sehr genau hinschauen muss. Nicht alle Schulen in Bremen sind schlecht – wahrlich nicht!

Aber Bremen hat uns keinen Wohnraum geboten. Das Thema mit den niedrigen Mieten war mit dem plötzlichen Vermieterwechsel beendet. Um das nochmal mit Zahlen zu untermauern: Binnen vier Jahren ist der Mitpreis pro Quadratmeter von 7 Euro auf 8,13 Euro angestiegen. Und obwohl ich froh bin, dass wir endlich eine Entscheidung getroffen haben, und obwohl ich mich voller Elan ins Dorfleben stürzen werde – ich bin auch traurig.

Tschööö Bremen.

War schön mit dir.

About Meike Lorenzen

Meike liebt Bremen, zieht aber dennoch weg aus der Hansestadt. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge geht es aufgrund der urbanen Wohnungsnot in die Wesermarsch. Als vierköpfige Familie. Wie es ist, Abschied zu nehmen, was der Umzug für die Kinder bedeutet und wie das Pendeln zur Arbeitsstelle in Bremen zum bisherigen Vereinbarkeits-Rhythmus passt – darüber schreibt Meike einmal im Monat in der Kolumne „Ab auf´s Land“.

One thought on “Tschööö Bremen! Oder auch: Ab aufs Land #3

  1. Auch wir haben (leider, leider) das gleiche Schicksal. Wir wohnen gefühlt nebenan (Bachstr) und auch für unsere kleine Familie heißt es im September „Tschüss Bremen, Hallo Niedersachsen“. Ein knapp 10jähriges Kapitel Bremen geht dann auch für uns vorbei. Ich werde es es vermisse bei uns vor dem Haus auf unserer Bank zu sitzen und mit den Nachbarn zu schnacken. Wir haben auch lange geschaut, geschaut und geschaut, aber unsere kleine Familie kann und will leider keine 400.000€ und mehr für ein (renoviertes) Haus in der Neustadt bezahlen. Und selbst wenn wir bleiben würden, ca. 75% der Familien der Krippenfreunde unserer Tochter planen einen ähnlichen Schritt. Es ist schon schade. Dennoch werden wir Bremen immer in unserer Erinnerung behalten. Genug Zeit um Bremen und die Weser zu sehen werden wir ja weiterhin haben wenn wir im Stau zur Arbeit stehen! 😉

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