Links von mir diskutieren junge Theaterschaffende über eine Komposition. Engagiert und ruhig. Rechts von mir tauschen sich nicht weniger konstruktiv fünf Seniorinnen, allesamt gepflegt hergerichtet und mit modernen Lippenstift verziert, über eine Chorprobe aus. Hinter mir tippt ein vollbärtiger junger Mann im karierten Hemd mit Holzfälleroptik konzentriert auf seiner Laptop-Tastatur. Vor mir: der freie Blick auf die große Kaffeemaschine und die Kaffeemühle, die Christian Leon gerade wieder frisch gemahlene Pulver ausspuckt. Fast alle Tische sind besetzt, überall liegen Unterlagen auf den Tischen und es herrscht ein Mix aus ambitioniertem Kaffeeklatsch und kreativem Projektmanagement. Es ist wirklich einiges los.
Trotzdem ist es recht ruhig an diesem dunklen Donnerstagnachmittag im noon.
„Im Vergleich zu sonst ist das heute schon Lärm“, meint Christian schmunzelnd, als er mir meinen Glasnudelsalat und meinen Latte Macchiato auf den Tisch stellt. Ein Karamellherz ziert den Milchschaum. Ich weiß, was er meint, denn auch ich habe es im noon schon deutlich stiller erlebt. Aber es ist keine unangenehme Stille, die sich hier flankiert von unaufdringlichen Tönen aus der Musikanlage zwischen alten Scheinwerfern, Espressotassen und Holzstühlen breit macht. Es ist Konzentration. Konzentration auf das, was der Gegenüber sagt. Konzentration auf das feste Hineindrücken des frischen Espressopulvers in den Siebträger. Konzentration auf die eigenen Gedanken. Und das alles wirkt so gar nicht verbissen, sondern wahnsinnig beruhigend und aufgeräumt.
Seit September hat das noon sein neues Zuhause im Kleinen Haus des Theaters Bremens. Man muss es wissen, denn sonst ahnt man als Passant des Ostertorsteinwegs nicht unbedingt, was sich am Ende des kleinen Weges, der zwischen „Casa“ und Theater hineinführt.
Aber das noon ist es gewöhnt, an einem Ort zu sein, der nicht mit Laufpublikum verwöhnt wird. Vor dem Umzug ins Bremer Viertel zelebrierten Christian und sein Team die Freude am Kaffee, an der Kunst, am Experiment und am Menschen-Zusammenführen im Lloydhof. Dort hatten sie im Rahmen einer Zwischenzeitnutzung einem großen leerstehenden Raum im sterbenden Einkaufskomplex zu neuen, urban-jungen Leben verholfen. Dort wurde schon mal in der Mittagspause getanzt oder am Wochenende ein hilfreiches Repair-Cafe eingerichtet. Das gefiel so einigen, scheinbar auch dem Theater, das nun mit Christian gemeinsame Sache macht.
Viele Theatermitarbeiter tummeln sich heute im noon, kein Wunder! Auch das Rahmenprogramm ist deutlich vom aktuellen Bühnengeschehen beeinflusst. Es hat sich ein bißchen verändert, das noon. Und beweist dabei, dass Veränderung nicht unbedingt „schlechter“ oder „besser“ bedeutet, sondern schlicht und ergreifend „anders“. Mir gefällt dieses anders und ich freue mich, dass mein neues Büro nur einen Steinwurf über die Straße entfernt ist. Wenn mich der kleine Hunger überkommt oder ich dringend einen guten Kaffee brauche, dann hab ich es nicht weit.
Euch lege ich – sofern noch nicht geschehen – einen Besuch im noon auch ans Herzen. Schnappt Euch Euren Laptop, nutzt die konzentriert-ungezwungene Atmosphäre und vor allem: spitzt die Ohren, worum es so an den Nebentischen geht. Nicht um zu lauschen, sondern um gut geführte Diskussionen zu erleben. Für mich gehört die Gesprächskultur im noon neben der Kappe auf Christians Kopf und der phänomenal guten Steckdosen-Versorgung für mobil arbeitende Gäste zu den markantesten Markenzeichen.
noon
Goetheplatz 1-3 (Innenhof)
Bremen / Ostertorviertel
geöffnet täglich 14 Uhr bis 22 Uhr