Angekommen!?! Oder auch: Ab aufs Land #7

Fünf Monate ist Meikes Umzug aufs Land nun her. Zeit für eine erste vorsichtige Bilanz, fanden wir. Und die gibt es heute für Euch – und sie ist auch der Abschluss der Reihe „Ab auf´s Land“. Wir hoffen sehr, dass sie Euch ein paar Antworten auf die Frage „Sollte ich über einen Umzug mit meiner Familie raus aus der Stadt mal nachdenken?“ geben konnte. Wie Meikes derzeit über ihre Entscheidung denkt, lest Ihr jetzt:

Von Bremen aufs Land: Das Haus

“Und? Musstet ihr viel machen?” Diese Frage haben wir in den ersten Wochen hier immer wieder gestellt bekommen. Sie richtete sich an den Zustand unserer Hauses. Und unsere Antwort war in der Regel schallendes Gelächter.

Unser Haus wird niemals fertig sein.  Es ist weit über 120 Jahre alt. Es ist reetgedeckt und es wird jeden Tag von LKWs direkt vor der Haustür erschüttert. Im Carport wurde Asbest verbaut, der überdachte Part der Terrasse gehört eigentlich erneuert, der Terrassenboden ist abgerissen worden und wurde bisher nicht ersetzt. Der eingezogene Boden in der Scheune bricht durch.  Drinnen knackt das Holz an jeder Ecke und den Marder hatten wir auch schon zu Besuch. 

Den Garten teilen sich übrigens Wühlmäuse und ein kleiner Maulwurf in wunderbarer Harmonie. Wie galant sie umeinander tanzen, zeigen die Spuren im Rasen, der irgendwie auch mehr aus Moos als allem anderen besteht. 

Aber mussten wir deshalb viel machen? Nö. Denn anders als so viele andere Altbauten, war das Haus sofort bewohnbar. Das Dach ist dicht. Fenster und Heizung gerade einmal drei Jahre alt. Die Räume sind weitestgehend in einem guten Zustand gewesen – und so konnten wir relativ flott einziehen. Wer kann das schon???

 Wir lieben dieses Haus mit ähnlichem Elan, wie wir Bremen lieben. Und so wie Bremen arm und angeblich voller Krimineller und schlechter Bildungseinrichtungen ist, hat eben auch dieses Haus seine Macken. Doch die Räume sind urig, der Kamin macht eine angenehme Wärme. Ins Schlafzimmer passt locker ein 2x 2,70 Meter großes Palettenbett. Dass die Kinder nachts zu uns kriechen, merken wir kaum noch. Den Raum, den uns das Haus gibt, gibt neue Energie. Und die haben wir bitter nötig.

Von Bremen aufs Land: Die Kinder

Apropos Raum und Räume… Kinder brauchen nicht viel Platz – davon war ich immer überzeugt. Ich war mir sicher, dass dieser “Jeder-braucht-sein-eigenes-Zimmer-Quatsch” ein Konstrukt der Neuzeit ist. Früher sind wir doch schließlich auch in Höhlen zusammen gekrochen. Warum auf einmal dieser Wahn nach Platz? Darauf habe ich inzwischen etliche Antworten. Eine davon: Weil die Kinder sich aus dem Weg gehen können. 

Ich werde niemals das Gesicht meines Großen vergessen als ich sagte: “Wenn T. dir alles kaputt macht, dann pack die Autos doch ein und bau sie in deinem Zimmer auf. Da hast du deine Ruhe.” Er war völlig platt, als ihm klar wurde, dass das eine ernsthafte Option ist.

Noch akzeptieren die Jungs, dass man immer “STOP. Ich will meine Ruhe”. sagen darf. Ich habe ihnen eingehämmert, dass diese Regel so lange Bestand hat, solange sich beide daran halten. Stürmt einer die Festung des anderen, darf er auch nicht mehr erwarten, dass ich seine Burg verteidige. Ich bin gespannt, wann der Krieg ausbricht. 

Insgesamt geht es den Kindern hier sehr gut. Beide hatten ihre Hänger bei der Eingewöhnung in den neuen Betreuungseinrichtungen, aber insgesamt haben sie das gut weggesteckt. Vor allem Krawallo T. tut der Kindergarten enorm gut. Und der Große Mr. R. ist irgendwie über Nacht zum Vorschulkind geworden. ICH WILL DAS NOCH NICHT (Sorry, ich beruhige mich wieder). 

Von Bremen aufs Land: Der Garten und die Natur

Mir war durchaus klar, dass es meeeeegagut wird, einen Garten zu haben. Aber wir haben nicht nur irgendeinen Garten, nein. Mehr Natur als hier geht kaum. Seit Wochen besuchen uns täglich zwei kleine Igel. Die Haselmäuse sind allgegenwärtig und wirklich niedlich. Regelmäßig schaut ein echter Klopfer vorbei, so ein riesiger Feldhase, der locker das Gewicht von acht Handtaschenkötern auf die Waage bringt. Eines nachts konnten wir über Minuten eine Schleiereule auf der Terrasse beobachten, wie es ein sehr absurdes Tänzchen ganz in der Tradition von “Der Tod steht ihr gut” aufführte. Meryl wäre beeindruckt gewesen.

Nicht zu vergessen ist dieser eine Abend, an dem die Kühe auf der Weide hinterm Haus durchdrehten. Um dem Krach auf den Grund zu gehen, schauten wir über den Zaun. Dort standen nicht weniger als 20 Störche in der Abendsonne. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass das magisch war. 

In Sachen Pflanzen lassen wir es noch gemütlich angehen. Wir haben einiges freigeschnitten und ein paar Kräuter gepflanzt, über die sich die Nacktschnecken riesig gefreut haben. Außerdem bin ich überzeugt, dass die vielen Blumenzwiebeln, die ich gesetzt habe, längst den Mäusen zum Opfer gefallen sind. Aber gut. Wir werden sehen, was der Frühling bringt.

Von Bremen aufs Land: Neue Menschen

Überraschenderweise leben in Lemwerder Menschen. Es gibt hier jede Menge Leute, die ich auf Schlag super sympathisch finde. Die ersten Treffen mit anderen Eltern gab es schon und sie waren wirklich schön.

Ich mag den Klüngel um die BEGU. Bei Rauchs , die das Café und das Restaurant dort führen, fühle ich mich spontan Zuhause. Die beiden hatten bis vor kurzem noch ein Café in der Langenstraße in Bremen und leben sich quasi mit mir parallel ein.

Es war toll zu sehen, wie schnell sich die Menschen hier organisiert haben, als es zum Beispiel darum ging, für den Erhalt der hiesigen Oberschule auf die Straße zu gehen.

Großartig war auch der Flohmarkt in Altenesch, den die Landjugend dort organisiert. Es ist lange her, dass ich Fantakuchen gegessen habe und dazu mit “Thunder” beschallt wurde.  Ernsthaft: Das Kuchenbuffet war der Knaller, es gab sehr viele schöne Stände, für die Kids wurde eine Hüpfburg organisiert und es gab kleine Trecker-Rundtouren durch das Dorf. Das war schon alles sehr, sehr liebevoll gemacht.

Auch die ersten Besuche und Kaffee-Dates hatten wir und es war ausnahmslos sehr, sehr schön. Die Lemwerderaner machen einem das Ankommen ehrlich leicht.

Von Bremen aufs Land: Vereinbarkeit

Weniger schön finde ich das Gefühl als viel arbeitende Mutter hier noch mehr einen Spagat machen zu müssen als in der Stadt. Denn in unserem Fall sind die Betreuungszeiten schlechter und unser Netzwerke haben wir weitestgehend aufgeben müssen. Die ersten Mütter haben zwar schon total lieb angeboten einzuspringen, falls ich mal Hilfe brauche. Aber gerade jetzt am Anfang würde ich so ein Angebot wirklich nur im absoluten Notfall annehmen. Und den hatten wir Gott sei Dank noch nicht.

Wenigstens konnten wir die Babysitterin aus Bremen mitnehmen, da sie großartigerweise nach Delmenhorst gezogen ist und somit – zumindest bis zum Ende ihres Studiums – montagnachmittags aushelfen kann. Ab Sommer 2020 müssen wir uns eine neue Lösung einfallen lassen. Interessierte können sich gerne melden 😉

So richtig klappt es gerade also nur mit viel Rumorganisiererei und weil ich mehrfach in der Woche bereits um 7 Uhr im Büro sitze und der Mann oft einspringen kann. Mit anderen Arbeitgebern wäre unser Alltag gerade nicht zu meistern!

Eine Kleinigkeit, die mich ehrlich ärgert, ist dass der Elternabend in unserem Kindergarten auf Wunsch der Eltern bereits um 16.30 Uhr stattfindet (ohne Kinderbetreuung versteht sich). Wie zur Hölle soll man das ohne Großeltern-Unterstützung schaffen? In unserem Leben arbeitet einer von uns immer um diese Uhrzeit, und der andere betreut die Kinder. Wie ich mich künftig über das KiTa-Leben unseres Großen auf dem Laufenden halten soll, ist mir aktuell noch ein kleines Rätsel.

Langsames Ankommen

Insgesamt merke ich, dass ich den Anschluss langsam suche. Ich muss mich gerade erstmal einruckeln mit den neuen Arbeitszeiten und dem Pendeln. Außerdem liegt mein Fokus sehr auf den Kindern, die ich in dieser Umbruchphase gerne so eng wie möglich begleiten möchte.

Und wirklich alleine fühle ich mich im Moment auch noch nicht. Mit fast 40 hat man ja auch schon einen stattlichen Freundeskreis, der es sich gerade auch nicht nehmen lässt, uns fleißig zu besuchen. Dass mit der Zeit hier tolle Kontakte weiter wachsen werden, davon bin ich fest überzeugt. Und ich freu mich drauf.

Alle Beiträge von Meike gibt es hier: Ab auf´s Land – Eine Familie fängt neu an

About Meike Lorenzen

Meike liebt Bremen, zieht aber dennoch weg aus der Hansestadt. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge geht es aufgrund der urbanen Wohnungsnot in die Wesermarsch. Als vierköpfige Familie. Wie es ist, Abschied zu nehmen, was der Umzug für die Kinder bedeutet und wie das Pendeln zur Arbeitsstelle in Bremen zum bisherigen Vereinbarkeits-Rhythmus passt – darüber schreibt Meike einmal im Monat in der Kolumne „Ab auf´s Land“.

One thought on “Angekommen!?! Oder auch: Ab aufs Land #7

  1. Ach schön!!! Viel Freude weiterhin in Lemwerder und wenig Stau!!!
    Wie sagt meine Schwiegermutter immer: Wer ein Haus kauft, hat immer zu tun. Können wir auch unterschreiben. Auch wenn unseren noch relativ wenig Arbeit macht, weil Reihenhaus…
    Das mit den Rückzugsräumen kann ich übrigens total unterschreiben. Wir sind froh, dass wir viele kleine Zimmer haben, weil das aktuell noch jeder Person (auch den Eltern!) einen eigenen Rückzugsraum bietet und das ist so viel wert. Wir haben ein 7qm kleines Zimmer, in dem nur der Kleiderschrank statt und dort habe ich mir jetzt eine Meditations- und Yogaecke eingerichtet. Ab und zu stehen da noch Wäschekörbe, dieses einen eigenen Platz zu haben schenkt mir eine innere Freiheit, die gut tut. Und brauchen tut es dafür tatsächlich nicht viel.
    (Was die Natur angeht, wir haben ja einen Garten in der Stadt – ich würde mir so wünschen, dass wir in Bremen endlich wieder mehr Naturräume in der Stadt schaffen, statt alles zuzupflastern. Gerade in der Überseestadt ist da so viel schief gelaufen und läuft schief. Die Chancen, die man dort hat(tte) werden nicht genutzt. Der Spielplatz ist toll, aber mit Naturraum hat das nichts zu tun. Aufgrund unseres Gartens weiß ich, dass die Tiere auch die Stadt beleben. Wir haben auch Igel, Rehe, Eulen… Sie brauchen nur Orte an denen sie zuhause sein können!)

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